Mit einem hellen „Ping” geht eine neue Nachricht auf dem Handy ein. „Liebes, ich will mit zu einem Oktoberfest gehen”, ist zu lesen. Bis dahin nichts Verwerfliches, schließlich ist Oktober auf Mallorca. Doch die Absenderin dieser Nachricht ist: Olga, 40, Spanierin aus Madrid und langjährige Insel-Residentin. Die MM-Autorin traut ihren Augen kaum, als sie die Nachricht ihrer Freundin und Nachbarin liest. Als Preußin hatte sie ehrlichweise nicht vor, das Fest zu besuchen. Aber was soll’s ... Oktoberfest ist nur einmal im Jahr.
Wohin sollte man eine Einheimische bringen, wenn nicht auf das größte Fest seiner Art auf der Insel? Am vergangenen Freitag ist es in Son Bugadelles bei Santa Ponça losgegangen. Eröffnet hat es Bürgermeister Juan Antonio Amengual, sichtlich stolz und erfreut stand er mit den Organisatoren Holger Becker und Gastronom Werner Wiedemann auf der Bühne. Zum ersten Mal richten die beiden Deutschen es aus und versprechen bayerisches Partyfeeling im Festzelt für 1000 Gäste, das bis einschließlich Sonntag, 27. Oktober, blau-weiß erstrahlt.
Schon auf dem Weg dahin schwärmt die Madrilenin von der deutschen Identität: „Ich liebe Folklore, Trachten und Blasmusik. Dass Jung und Alt gemeinsam feiern und singen. Uns Spaniern fehlt eine solche Kultur. Eine, die uns alle zusammenbringt.” Ganz nebenbei erwähnt sie, sogar zweimal auf dem Kölner Karneval mitgefeiert zu haben. „Das waren Zeiten!”
Im Festzelt angekommen, beginnen ihre Augen zu strahlen. Es ist voll, warm, laut. Olga fühlt sich wohl. Die deutsche Speisekarte lässt sie sich übersetzen und vertraut dann auf die Expertise ihrer deutschen Freundin. Bestellt werden zwei Maß, Hendl und Kassler mit Sauerkraut. Das servierte Essen quittiert sie mit einem „Hmmm! Sehr gut!” und fragt ihre Begleitung neugierig: „Kannst du auch Sauerkraut machen?” Als die Blaskapelle zu spielen beginnt, schunkelt die Spanierin mit. Bei „Ein Prosit” hört man sie erst leise summen. „Das Lied kenne ich noch vom Kölner Karneval”, strahlt sie und singt sogar mit. Textsicher!
Die 40-Jährige ist im siebten Himmel. Sie staunt über die Band und das aufwendig dekorierte Zelt, bewertet die Dirndl und kommt auch mit anderen Gästen ins Gespräch. Denn neben ihr auf der Bierbank sitzen ihre Landsleute. „Schau dich mal um!”, sagt sie zur MM-Autorin und deutet in die Menge: „Spanier, Mallorquiner, Deutsche, junge und alte Menschen – alle feiern hier zusammen!” Tatsächlich sitzen ganze einheimische Familien gemeinsam an den Tischen, Kinder sprechen untereinander ein einziges Kauderwelsch; mal hört man Katalanisch, mal Deutsch und auch einige Fetzen Englisch.
2016 war Olga das erste und bislang einzige Mal auf einem Oktoberfest gewesen. Damals habe sie ihren mallorquinischen Ehemann regerlrecht gedrängt, bis dieser schließlich nachgab und sie nach El Arenal brachte. „Dort war aber nicht so gute Stimmung. Das Fest hier in Santa Ponça finde ich viel authentischer.”
Das Hendl ist gegessen, die Maß ausgetrunken, es wurde gesungen und gequatscht. Olga hat Videos von der Blaskapelle aufgenommen, sich mit ihrem Bierkrug fotografieren lassen, und so langsam neigt sich der Abend dem Ende zu. Gerade geht es an der Theke vorbei, als Olga noch schnell ein Foto von einem Oktoberfest-Plakat macht und kommeniert: „Das muss ich meiner Schwester schicken. Als Beweis.”