Eigentlich lief alles rund. Steffen Schmieder – gebürtiger Münchner und ein erfolgreicher Innenarchitekt – war nach Mallorca ausgewandert. Er lebte auf einer Finca, deren Räume er teilweise auch als Showroom nutzte. Sein Name sprach sich herum, besonders deutschsprachige Residenten liebten seine Arbeit. Dann wurde Steffen Schmieder krank, und sein Fall zeigt, wie schnell aus einem medizinischen Notfall eine verzweifelte Situation werden kann.
Der heute 83-Jährige hatte eine komplizierte Erkrankung der Füße, misslungene Operationen machten es schlimmer, und schließlich war Schmieder auf den Rollstuhl angewiesen. Selbstständige Fortbewegung war ihm nicht mehr möglich. Eine private Krankenversicherung fehlte, finanzielle Rücklagen oder Eigentum gab es nicht, Familie ebenso wenig.
Mithilfe der „Seguridad Social” bekam er schließlich einen Platz in einem Seniorenheim in Bonanova. Das war 2017, im selben Jahr, in dem die damalige Pfarrerin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde auf den Balearen – Heike Stijohann – die Idee hatte, Hilfe für einsame Menschen auf Mallorca zu organisieren. Drei, vielleicht vier sogenannte Paten, die Besuche machen sollten bei Menschen, die niemanden haben, so ihre Vorstellung.
Schnell zeigte sich, dass das Projekt auch finanzielle Unterstützung brauchen würde und der Bedarf für Hilfe auf der Insel riesengroß war. An dieser Stelle bot Roland Werner – Gemeindemitglied und ehemaliger Manager führender Unternehmen im Ruhestand – seine soziale und finanzielle Unterstützung an. Werner, der Philanthrop im besten Sinne, half, die Idee der Pfarrerin umzusetzen und gründete die Stiftung Herztat, die heute mehr als 60 ehrenamtliche Mitarbeiter zählt. Steffen Schmieder war einer der Ersten, die dort um Hilfe baten.
„Der Fall Schmieder zeigt gut den Zweck unserer Stiftung”, erklärt Roland Werner. „Er hatte keine Scheu, griff damals zum Telefon und rief uns an. Er hatte gelesen, dass wir einsame Menschen besuchen, mit ihnen sprechen, Ausflüge unternehmen, je nach Bedarf.” Seither hat Schmieder einmal pro Woche Besuch von seiner „Herztat-Patin”, und es finden angeregte Gespräche und kleine Ausflüge statt, und auch Roland Werner besucht ihn so oft es geht.
„Wir möchten alle einsamen Menschen hier auf Mallorca dazu ermutigen, uns anzurufen”, betont Werner. Oft sei Einsamkeit auch mit Scham behaftet, aber das sei falsch. „Wer einsam ist, muss nicht allein sein. Das ist die Idee unserer Arbeit. Wir haben eine lange Liste von Freiwilligen, die gerne Besuche bei alten oder kranken Menschen machen würden, Gespräche führen, um ihren Alltag zu beleben. Dazu muss man nur zum Telefonhörer greifen.” Auch Gespräche per Telefon seien möglich, nicht jeder würde vielleicht sofort persönlichen Besuch erhalten wollen. Und es handele sich keinesfalls nur um vollkommen hilflose Menschen. „Selbst wer imstande ist, allein zu leben und für sich selbst zu sorgen, kann sehr unter dem Alleinsein leiden”, so Werner.
Seitdem die bekannte Moderatorin Birgit Schrowange Schirmherrin der Stiftung ist, stieg der Bekanntheitsgrad für das Hilfsangebot. „Frau Schrowange hat viele ,unserer’ Senioren besucht und würde gemeinsam mit uns gerne erreichen, dass sich mehr bedürftige Mallorca-Residenten trauen, mit uns Kontakt aufzunehmen”, sagt Roland Werner.
Denn abgesehen von echten Härtefällen, bei denen in finanzieller Not, bei Behördenstreit oder gar bei Rückführungen nach Deutschland unterstützt würde, gebe es besonders bei einsamen und kranken deutschsprachigen Residenten ohne Angehörige eine große Dunkelziffer.
Dazu gehörte beispielsweise auch Helga Schlösser aus Artà. Die gebürtige Hannoveranerin ist heute 94 Jahre alt und zog verwitwet erst im hohen Alter von 88 Jahren zu ihrer Enkelin in den Inselnorden. Auch sie erhielt Besuch von Birgit Schrowange und erzählt, wie wichtig ihr die wöchentlichen Besuche und Gespräche mit ihrer „Herztat-Patin” sind, denn die Tage im Haus ihrer berufstätigen Enkelin seien sonst sehr lang und still. Zu ihrer Familie in Deutschland habe sie kaum noch Kontakt. Trotz ihres hohen Alters kann Helga Schlösser sich noch mit dem Rollator bewegen, und ist froh, im Haus ihrer Enkelin zu leben.
Weniger Glück hatte da Ralf Spitzley. 2017 brach er sich bei einem Motorradunfall drei Rückenwirbel, lag drei Monate im Krankenhaus Son Espases und verbrachte anschließend noch zwei Monate in einer Reha-Klinik. Seitdem lebt der Deutsche in einer Seniorenresidenz in Puerto Portals, spricht kaum Spanisch und bekommt nur ab und zu Besuch von einem Neffen, der auf der Insel lebt. Auch um ihn kümmert sich eine Herztat-Patin, über deren wöchentliche Besuche er sehr glücklich sei. Ralf Spitzley bekam zudem Besuch von Birgit Schrowange, die ebenso wie Stiftungsgründer Roland Werner hofft, dass noch viel mehr einsame Menschen auf der Insel den Mut hätten, bei „Herztat” anzurufen. Ebenso könnten sich Freunde oder Angehörige an die Stiftung wenden, um hier Hilfe einzuleiten.
„Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele tragische Fälle von Verarmung und Vereinsamung es auf Mallorca gibt”, erzählt Roland Werner. „Wir versuchen hier, so unbürokratisch und einfach wie möglich zu unterstützen. Wer also Hilfe oder nur ein Gespräch braucht, könne sich jederzeit unter der spanischen Mobilnummer 634 041 668 melden, oder auch per E-Mail an: mallorca@herztat.de Kontakt aufnehmen.