Wenn du Valldemossa auf Mallorca je besucht hast und nicht in der Bar s’Olivera warst – warst du dann überhaupt in Valldemossa? Die Antwort lautet: natürlich nicht. Denn diese Bar war kein Ort, sondern ein Ritual. Ein Stück gelebte Inselgeschichte. Ein Kaffee mit Seele. Und diese Seele heißt Antonia Torres – 74 Jahre, temperamentvoll, herzlich, berüchtigt für ihr unfehlbares Gedächtnis und ihre niemals endenden Vorräte an Ensaïmadas.
Doch jetzt ist Schluss. Ende Juni dreht Antonia das letzte Mal den Espressokocher auf, räumt die Frühstückstheke leer und schließt die Bar – nach fast 50 Jahren. Nicht etwa, weil die Kaffeemaschine streikt oder der Touristenstrom nachlässt, sondern weil Antonia endlich „ein bisschen das Leben genießen“ will. Wer könnte es ihr verdenken? Nach Millionen von Cortados, unzähligen Morgengrüßen und einer Karriere, in der sie ganze Generationen durchgefüttert hat, ist das mehr als verdient.
Ein Ort, der mehr wusste als der örtliche Pfarrer
Die Bar s’Olivera war keine einfache Bar. Sie war das soziale Zentrum von Valldemossa. Sie war Klatschblatt, Wetterstation und Bushaltestelle in einem. Morgens trafen sich hier die Alteingesessenen – mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks – zum ersten Café con leche. Dann kamen die Wanderer, die Radfahrer, die Deutschen mit Strohhut, die Franzosen mit Leinentuch und die Amerikaner mit großen Augen. Und mittendrin: Antonia. Immer da. Immer wach. Immer einen trockenen Spruch auf den Lippen.
„Es sind schon viele Jahre“, sagt sie selbst – mit der Mischung aus Stolz und Wehmut, wie sie nur mallorquinische Damen jenseits der 70 so elegant hinkriegen. Und ja, viele dieser Jahre waren turbulent: Valldemossa hat sich verändert, die Straßen sind voller, die Besucher lauter geworden. Aber Antonia und ihre Bar? Blieben. Ein bisschen wie eine Postkarte aus der Zeit vor Instagram.
Was wird aus s’Olivera?
Die große Frage: Was passiert mit diesem Kleinod der Alltagskultur? Die Räumlichkeiten gehören nicht Antonia, und sie gibt diplomatisch zu: „Das müssen Sie den Eigentümer fragen.“ Aber natürlich hofft sie, dass es weiter eine Bar bleibt – nicht irgendein Souvenirshop mit pastellfarbenem Logo und gebleichten Holzregalen. Die Einheimischen sind da gespalten: Manche wetten auf ein Geschäft, andere auf eine neue Bar. Sicher ist: Was auch immer kommt, es wird nie wieder diese Bar sein. Denn mit Antonias Abschied verliert Valldemossa mehr als einen gastronomischen Betrieb. Es verliert eine Institution. Einen Ort, an dem die Zeit ein bisschen langsamer verging.