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Kai Büssow: So wurde ein Elitesoldat zum bekanntesten Ballermann-DJ

Das Urgestein der Schinkenstraße war zunächst Fallschirmjäger, bevor er jahrzehntelang als DJ die Massen zum Feiern brachte. Eng verbunden war er mit dem ermordeten Bierkönig-Betreiber Manfred Meisel

Kai Büssow heizt seit jahrzehnten der Playa de Palma ein | Foto: P.L.

| Playa de Palma, Mallorca |

Er steht dort am Mischpult, wo andere Urlaub machen – mitten im Herzen auf Mallorcas berühmter Schinkenstraße, wo der Asphalt von Bier getränkt ist und der Bass niemals schläft. Kai Büssow, 60 Jahre alt, DJ mit Leib und Seele – eine lebende Legende, wie er sagt. Zwischen grölenden Touristen in Fußballtrikots und Adiletten, Sangria-Eimern und Selfies, blitzt sein Gesicht manchmal auf – erkannt wird er aber nur von den Älteren. Die Jüngeren tanzen, feiern und trinken einfach weiter. Sechs Tage die Woche steht er am DJ-Pult – neun Stunden lang. Im September, wenn die Senioren kommen, sogar sieben. Dann wird aus "Layla" "Griechischer Wein". Aus Eskalation und Party-Ballermann-Musik wird Schlager-Nostalgie. Seine Stimme ist rau, er wirkt tough. Vielleicht liegt es an den Zigaretten – bis zu 100 am Tag, seit Jahrzehnten. Ein Kaffee vor dem Auftritt, dann legt er los. Kein Alkohol, keine Pause. Nur Musik und Erinnerungen.

Er kannte noch den "Bierkönig-König" Manfred Meisel

Büssow war dabei, als der Ballermann noch ein Geheimtipp war. "In den 90ern war alles gesitteter", sagt er. "300 Leute im Bamboleo, das war voll. Heute kommen 3000." Er sah, wie Läden kamen und gingen, wie Träume wahr wurden – und zerbrachen. Besonders einer prägte ihn: Manfred Meisel, der "Bierkönig-König", brutal ermordet 1997. "Manfred war cool drauf. Einer der nettesten Menschen, die ich je traf." Bei diesen Worten flackert etwas in Kais Augen. Tränen wegen der Erinnerung? Vielleicht. Doch er schluckt es hinunter ... zu lange hier, zu abgehärtet, zu Profi. Über die Hintergründe sagt er nichts. Nicht hier, nicht im "San Siro", einem rustikalen spanischen Lokal mit Charme vergangener Jahrzehnte samt Serrano-Schinken-Keulen an der Decke. Später wechselte Büssow, gebürtiger Frankurter, ins Coco’s und hatte Julian Oliver als Chef.

Im Partytempel Bamboleo in der Schinkenstraße steht der DJ am Mischpult

Im Gespräch nimmt Büssow kein Blatt vor den Mund – und spricht über den Eklat, der bis nach Deutschland Wellen schlug: Der Skandal um ausländerfeindliche Parolen im Sommer 2024 hallt nach. Im berüchtigten Ballermann-Lokal gröhlte eine Gruppe Deutscher zu "L’amour toujours" Nazi-Parolen – eine Szene, die Empörung auslöste. "Es war nur ein Tisch – und wir haben die sofort rausgeschmissen", stellt Büssow klar. "Die Lage war schnell unter Kontrolle." Doch der Vorfall hatte Folgen. Der DJ traute sich wochenlang nicht, den sonst harmlosen Partyhit aufzulegen.

DJ Kai Büssow (M.) mit feiernden Gästen im Bamboleo.

Erst seit zwei Wochen wagt er sich wieder an den Song ... und siehe da: Keine Parolen, kein Eklat. Ob’s an der Sicherheitsmacht liegt? Mittlerweile patrouillieren 20 Security-Leute durchs Bamboleo – und greifen blitzschnell ein. Mit einem Grinsen kommentiert Büssow die Ironie: "In Spanien sind wir Deutschen ja eigentlich die Ausländer."

Vom Fallschirmspringer zum DJ

In jungen Jahren war er ein "Hitzeblitz", wie er sagt: Leidenschaftlich, ungestüm, schnell entflammt. Beim Kreiswehrersatzamt kam es zum Eklat: Nach einer Auseinandersetzung mit einem Unteroffizier war Schluss – die Tür zur Laufbahn als Fallschirmjäger fiel zu. Was für andere das Ende gewesen wäre, wurde für ihn der Beginn einer ungewissen Reise. Sein Weg führte nach Barcelona ... in die spanische Fremdenlegion. Zwei Jahre lebte er in einer Welt aus Disziplin, Härte und Einsätzen an der Grenze des Möglichen. In Melilla, am Rand Europas, spürte er das Leben bis ins Mark – eine Verletzung an Hals und Schulter wurde zum Mahnmal.

Büssow, mit Johnny, seinem jungen Chef.

Doch dann: Ein Anruf, eine Entscheidung. Sein Vater, einst Hotelbesitzer, verkaufte alles und bereitete den Aufbruch nach Mallorca vor. Und er? Stand vor einer Weggabelung: Bleiben in der Legion – oder ein Neuanfang auf einer Insel voller Ungewissheit? Ein Jobangebot von Horst Abel, dem "Wurstkönig von Mallorca", gab den Ausschlag. Am Flughafen Palma standen sie da: Drei Palmen. Für ihn waren sie mehr als Pflanzen – sie waren Versprechen. Ein Bild, das sich tief einprägte und zum Symbol seiner neuen Heimat wurde. Durch Umwege, Zufälle und Begegnungen fand er zur Musik … und zu sich selbst. In Bahia Grande im Süden schlug er Wurzeln, wurde Ehemann, Vater und Großvater. Büssow engagierte sich in der Gemeinde, mischte sich in die Politik ein, trug Verantwortung. Noch fünf Jahre will er sich mit Leidenschaft als DJ geben, dann zur Ruhe kommen.

Natürlich, manchmal nagt der "Inselkoller", doch das Band zu Mallorca ist unlösbar. "Mallorca ist wie Krebs – wenn du es einmal hast, lässt es dich nicht mehr los", sagt er mit einem Lächeln, das Wehmut und Dankbarkeit zeigt. Deutschland ist für ihn fern und fremd geworden. Nur ein kurzer Besuch in all den Jahren. "Ich fühle mich mehr als Spanier", sagt er. Und man glaubt es ihm. Denn sein Herz hat längst eine neue Heimat gefunden.

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