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Fehlerhafte Abstandsmelder: Wie ein Gewalttäter auf Mallorca seiner Strafe entgehen will

Der landesweite Skandal um defekte Armbänder hat die Insel erreicht. Betroffene Frauen berichten von falschen Alarmen, verspäteten Signalen und abweichenden Standortdaten

José Miguel Segura Barea wurde bereits zweimal wegen Gewalt gegen seine Ex-Frau verurteilt. Vor Kurzem wurde er zum dritten Mal angezeigt, "schiebt" die Anschuldigung auf die Fehlfunktion seines Abstandhalters zu | Foto: Elena Ballestero

| Campos, Mallorca |

Ein Täter, der wiederholt wegen Gewalt gegen seine Ex-Partnerin verurteilt wurde, nutzt nun mögliche technische Fehler eines elektronischen Abstandhalter-Armbands, um einer weiteren Strafe zu entgehen. Der Fall von José Miguel Segura Barea auf Mallorca wirft ein grelles Licht auf ein System, das Frauen eigentlich schützen soll – und gerade zum Politikum in Spanien geworden ist.

Ein Täter dreht den Spieß um

Segura, zweimal rechtskräftig verurteilt, meldete bei der Guardia Civil in Campos angebliche Fehlfunktionen seines Überwachungsarmbands. Das Gerät soll piepen, wenn er sich seiner Ex-Partnerin nähert – doch nach seinen Worten gab es "falsche Signale". Ausgerechnet beim Einkaufen im Supermarkt Mercadona habe ihr Armband Alarm geschlagen, während seines stumm blieb. Erst beim Entfernen sei sein Gerät angesprungen. Brisant ist das Timing: Weniger als einen Monat vor seinem dritten Prozess zeigt Segura die Vorfälle an. Widerrufen hat er inzwischen auch seine früheren Geständnisse. Sollte ein Gutachten die Fehlfunktionen bestätigen, könnten zentrale Beweise der Anklage entwertet werden – und der Wiederholungstäter straffrei ausgehen. Bestätigen Experten hingegen die Funktionstüchtigkeit, droht ihm eine Verurteilung wegen Falschaussage.

Das angeblich fehlerhafte Überwachungsarmband.

Ein landesweites Problem

Der Fall ist kein Einzelfall. In ganz Spanien mehren sich Berichte über Pannen mit den sogenannten Viogen-Armbändern, die seit Jahren als zentrales Instrument im Kampf gegen häusliche Gewalt gelten. Die Balearen – trauriger Spitzenreiter bei Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt – verfügen dennoch nur über 90 dieser Geräte. Betroffene Frauen berichten von Fehlalarmen, verspäteten Signalen oder falschen Standortdaten. Für die Opfer bedeutet das ständige Unsicherheit. Eine Frau berichtete, dass ihr Gerät keine Warnung ausgab, als sie ihrem Peiniger begegnete – laut Zentrale befand sie sich angeblich in einer ganz anderen Stadt. "Die Täter wissen, dass es nicht richtig funktioniert, und spielen damit", so das Opfer. Genau das scheint nun Realität zu werden.

Politische Brisanz in Madrid

Der Skandal um die unzuverlässigen Armbänder hat längst die nationale Bühne erreicht. Das Justizministerium musste einräumen, dass beim Modellwechsel Anfang 2025 technische Probleme aufgetreten seien. Die Opposition spricht von einem "gefährlichen Versagen des Staates" – Frauenorganisationen werfen der Regierung vor, das Schutzsystem auf dem Rücken der Opfer "kaputtgespart" zu haben. Segura geht noch weiter: In sozialen Netzwerken macht er sich über das System lustig, lädt Bilder seiner Ex-Partnerin hoch und behauptet, das Armband helfe Tätern sogar bei der Lokalisierung der Frauen. Auf TikTok prahlt er: "Ganz Spanien weiß, dass ich unschuldig bin." Anwältinnen warnen: Nutzt ein Täter die Fehler aus, ist es für die Opfer doppelt gefährlich – juristisch und physisch.

Zwischen Misstrauen und Misere

Juristin Judit Pons bringt es auf den Punkt: "Wenn das Armband die einzige Beweisgrundlage ist und es nachweislich versagt hat, stehen wir vor einem sehr großen Problem." Damit steht nicht nur ein einzelner Prozess auf der Kippe, sondern auch das Vertrauen in ein System, das als technologische Antwort auf Spaniens gravierendes Gewaltproblem gedacht war. Ob Segura seiner dritten Verurteilung entgeht, hängt nun vom Gutachten ab. Doch schon jetzt hat der Fall eine Symbolkraft, die über Mallorca hinausreicht: Das Schutzsystem selbst steht vor Gericht. Und während Politiker in Madrid über Schuld und Verantwortung streiten, bleibt für viele Frauen auf den Balearen die Angst: dass das Piepen im entscheidenden Moment wieder ausbleibt.

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