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Im Rentenalter plötzlich Regisseurin: Diese Mallorca-Deutsche lebt mit über 60 ihren Traum

Nur noch Oma sein? Dieser Gedanke war für Sophie von Rheden nichts! Und so begann sie, Drehbücher zu schreiben – und das mit großem Erfolg, von Mallorca bis Hollywood

Sophie von Rheden bei der Eröffnungsgala des Evolution Mallorca International Film Fests am Dienstagabend in Palmas Kongresspalast | Foto: P. Lozano

| Palma, Mallorca |

Wenn Sophie von Rheden heute in der Abendsonne über den Paseo del Borne auf Mallorca flaniert, könnte man meinen, sie sei schon immer Teil der Filmszene der Insel gewesen. Tatsächlich aber begann ihre zweite Karriere erst vor wenigen Jahren – mitten im Lockdown, mitten in Madrid. „Ich saß da zwischen Leinwänden und Acrylfarben, ohne jede Inspiration”, erzählt von Rheden und lacht. „Da habe ich einfach meinen alten Roman ausgegraben. Und plötzlich war alles wieder da – die Lust, Geschichten zu erzählen.”

Heute, drei Jahre später, steht die 66-Jährige kurz vor der Spanien-Premiere ihres Kurzfilms CIALT – Caught in a Love Trap, der am Montag, 27. Oktober, im Rahmen des Evolution Filmfests im Cine Ciutat in Palma läuft. Ein Film über zweite Chancen – vor und hinter der Kamera. „Es geht um Frauen um die sechzig, die ihr Leben nochmal umkrempeln”, sagt von Rheden. „Im Grunde also um mich selbst.”

Filmplakat von CIALT.

Von der Plaza de la Reina nach Hollywood

Dass von Rheden einen Sinn für Neuanfänge hat, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Schon in den 1980er-Jahren zog es die gebürtige Hannoveranerin immer wieder nach Mallorca, wo ihre Eltern lange an der Plaza de la Reina lebten. Dazwischen arbeitete sie als Freischaffende für den Münchner Visagisten Horst Kirchberger und reiste für den BR mit Moderatorin Sabine Sauer zu Interviews mit Frank Sinatra oder Diego Maradona.

Ende der 90er-Jahre stieg von Rheden ins Immobiliengeschäft ein, war für Kühn & Partner tätig, später auch bei Engel & Völkers. Zu jener Zeit heiratete sie auch ihren Mann Lucio, einen Madrilenen, pendelte in der Folge zwischen Palma und Madrid. Ein geordnetes, erfolgreiches Leben – bis die Pandemie kam und alles veränderte. „Corona war für viele eine Zäsur”, sagt sie. „Für mich war es der Startschuss. Dennoch wollte ich weder mir noch irgendjemanden etwas beweisen, sondern einfach einer Leidenschaft folgen, die plötzlich Anfing zu blühen und ungeahnt auszutreiben.”

Von Rheden meldete sich bei Stage32, einer US-amerikanischen Plattform für Filmschaffende, belegte Onlinekurse, sah Webinare und Drehbuchanalysen, „stundenlang – bis mein Laptop glühte”. Ihr Sohn Luis, zunächst skeptisch, filmte später den Moment, als sie für ihr erstes Drehbuch The Sponsor einen Preis gewann. „Ich stand völlig neben mir, vergaß, meine Familie zu erwähnen”, erzählt sie lachend. „Luis meinte nur: ‚Na danke.’" Es folgten Auszeichnungen auf internationalen Festivals, aber auch Absagen – und ein wachsender Ehrgeiz. „Wenn mich etwas triggert, dann Ablehnung”, sagt von Rheden. „Dann kommt mein Motto: Jetzt erst recht!”

Ihr Kurzfilm-Skript The Attic Trap wollte sie schließlich selbst verfilmen. Budget? Keins. Mut? Genug. Sie rief die auf Mallorca lebende Schauspielerin Carmen Molinar an, die sie vom Filmfest kannte. „Ich brauchte Rat – und plötzlich fragte Carmen, ob sie meine Hauptrolle spielen darf!” Was als Low-Budget-Projekt begann, wuchs rasch: „Aus sieben Minuten Film wurden dreizehn, aus einer Dachmansarde eine Villa mit Pool. Und aus einem Traum ein echter Dreh.”

Von Rheden (3.v.l.) mit ihrem Team beim Beverly Hills Film Fest in Los Angeles. Rechts: die bekannte Schauspielerin Carmen Molinar. Foto: privat

Hollywood ruft

CIALT schaffte es bis nach Beverly Hills, wo der Film auf dem Walk of Fame Premiere feierte – mit Komponist Simarro, dem künstlerischen Leiter des Spanischen Sinfonieorchesters, und von Rheden mittendrin. „Ich war nicht nur Drehbuchautorin, sondern auch Co-Regisseurin, Co-Produzentin – und Songtexterin”, erzählt sie. Den Titelsong schrieb sie gemeinsam mit Simarro in dessen Madrider Studio. „Als wir den fertigen Song im Auto hörten, fuhren wir durch West Hollywood zur Afterparty – das war wie ein Film im Film.”

Für den nächsten ist bereits gesorgt: von Rheden hat gerade einen Kollaborationsvertrag mit einem Madrider Produzenten unterzeichnet, das Projekt befindet sich in der Pre-Produktion. „Dieses Mal führe ich alleine Regie”, sagt sie entschlossen. „Aber wir sprechen erst drüber, wenn es soweit ist. Solche Themen muss man hüten wie eine zarte Knospe vor dem Frost.”

„Ich wünsche mir, dass Frauen sich trauen”

Dass von Rheden mit fast siebzig nochmal durchstartete, sieht sie weniger als Ausnahme, sondern als Ermutigung. „Mit sechzig dachte ich: Jetzt kommt Ruhestand, Großmutterdasein. Und dann bekam ich Panik bei der Vorstellung, nur noch auf dem Spielplatz zu sitzen.” Heute sei sie beides – „leidenschaftliche Oma und leidenschaftliche Filmemacherin”.

Ihr Kurzfilm ist auch deshalb ein Plädoyer für das Weitermachen, für Neugier und Mut. „Ich wünsche mir, dass andere Frauen sehen: Es ist nie zu spät. Wenn man bereit ist zu lernen, kann man in jedem Alter neu anfangen.” Im Gespräch wirkt von Rheden hellwach, witzig, manchmal selbstironisch, aber immer voller Tatendrang. Sie zitiert gern Udo Jürgens: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.” In ihrem Fall scheint der Satz fast zu bescheiden.

Denn während viele sich mit einem Lebensabend am Meer zufriedengeben, steht von Rheden lieber wieder auf einem Set. „Ich genieße es, Freunde einzuladen, zu kochen – und dann gemeinsam ins Kino zu gehen, um unseren Film zu sehen”, sagt sie. „Es ist ein Heimspiel, und ich könnte glücklicher kaum sein.” Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie an ihre sechsjährige Enkeltochter denkt. „Neulich fragte sie mich: ‚Oma, welche Kleider ziehen wir zur Premiere an?’ Da wusste ich: Ich hab’ alles richtig gemacht.”

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