Das Thema gehörte zu den Aufregern des Sommers: Privatleute betrachteten die Strände auf Mallorca und den Nachbarinseln offenbar als Privatbesitz. Sei es, dass der Sand bei Ebay verkauft wurde, oder die Eigner von Superyachten in der jungfräulichen Bucht Sonnenschirme und Matratzen platzieren ließen. Am Strand von Es Trenc soll es sogar vorgekommen sein, dass von wohlhabenden Russen Bodyguards vorgeschickt wurden, um einen ganzen Abschnitt für Bordgäste frei zu machen. Die deutliche Aufforderung wurde angeblich mit 50 Euro pro Badegast unterstrichen.
Doch wem gehört die Küste der Insel eigentlich wirklich, und wer schaut nach dem Rechten, wenn tatsächlich einmal etwas schiefläuft?
Die Antwort ist relativ einfach, denn die erste Meereslinie fällt in Spanien unter das Küstenschutzgesetz von 1988, das im Allgemeinen keinen Privatbesitz kennt, sondern der Allgemeinheit den Zugang zum Ufer garantiert. Kommerzielle private Nutzungen sind nur über Pachtverträge und Lizenzen erlaubt. Nicht nur bei Beachclubs wie dem Purobeach in Cala Estància, die teilweise hohe Summen bezahlen müssen, sondern auch in banalen Fällen wie kürzlich auf Cabrera.
Den Eignern von drei Luxusyachten, die im dortigen Nationalpark einen Strand mit Sonnenschirmen, Liegematten und Handtüchern okkupiert hatten, droht jedenfalls ein Bußgeld von jeweils Tausenden von Euro. In Anbetracht der hohen Charterkosten, die für Großyachten üblicherweise bezahlt werden, ist für das Umweltministerium der Balearen die Sache klar: Es handelt sich um eine unzulässige kommerzielle Nutzung; entsprechende Verfahren wurden eingeleitet.
Manche sehen darin eine "Neiddebatte", doch vielleicht soll im Fall Cabrera auch nur ein Exempel statuiert werden. Das dürfte auch mit der politischen Großwetterlage auf den Balearen zu tun haben, wo seit Juni 2015 im Gegensatz zur Zentralregierung in Madrid ein Linksbündnis an der Macht ist.
Noch vor einigen Jahren wurde nicht so genau hingeschaut, als ein deutsch-schweizerisches Unternehmen an einer Bucht bei Portals einen gläsernen Hotelturm mit Suiten und Luxusapartments ankündigte. Potenzielle Investoren sollten 10.000 Euro pro Quadratmeter für die Anlage bezahlen und mit einem "Privatstrand" geködert werden. Das kann es in Spanien jedoch schon per Definition nicht geben. Wenn die Bauarbeiten dort langsamer vorangingen als geplant, hat das übrigens auch damit zu tun, dass das vorhandene alte Hotel zur Hälfte im erweiterten Küstenschutzbereich liegt. Im Gegensatz zur allerersten Linie, die dem Staat gehört, ist dort zwar Privatbesitz möglich. Bestehende Gebäude dürfen hingegen allenfalls renoviert, aber nicht vergrößert oder gar aufgestockt werden. Nach Übernahme des komplexen Projekts durch den mallorquinischen Iberostar-Konzern ist die Eröffnung in Portals nun für 2017 geplant.
Zehn bis 30 Meter umfasst auf den Balearen in urbanisierten Gebieten in der Regel die direkte Küstenzone ("Dominio Público Marítimo Terrestre"), weitere 20 bis 30 Meter der angrenzende Bereich ("Servidumbre de Protección"), den es allerdings nicht überall gibt. Andererseits existieren in Spanien auch ländliche Küstenabschnitte mit unbebaubaren Agrarflächen, die zusätzlich durch erweiterte Schutzbereiche von 100, 200 oder gar 500 Metern erfasst sind.
Faustregel für die erste Linie, die nur gepachtet werden kann, ist in etwa die Reichweite der Wellen bei einer Sturmflut, wobei Sandflächen und Dünen immer dazugezählt werden. Auch vorhandene Fußwege, die direkt zum Meer führen, dürfen selbst in weiterer Entfernung keinesfalls abgesperrt werden.
Der süddeutsche Unternehmer Roland S. (*Name der Redaktion bekannt) kennt solche Probleme von seinem Grundstück bei Cala d'Or: "Zwar ist das Gelände nur vom Meer aus zu erreichen, aber den Steg und das Ufer müssen wir öffentlich zugänglich halten", erläutert er. Eine weißrote Metallkette markiert für alle Fälle die Grenze, damit ungebetene Gäste wenigstens nicht zur privaten Panorama-Terrasse hinaufsteigen.
Weniger verständnisvoll zeigt sich Pedro. J. Ramírez, ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung "El Mundo", der an der Costa dels Pins eine Sommerresidenz besitzt. Seit 2003 liegt er mit linken Gruppen im Clinch um einen "privaten" Swimmingpool an der Felsküste vor seinem Haus. Mehrfach kam es dort zu Protesten und Auseinandersetzungen, als Demonstranten sich Zutritt verschaffen wollten, der ihnen jedoch von Bodyguards verweigert wurde. Mittlerweile ist gerichtlich geklärt, dass der Pool in erster Meereslinie liegt und daher immer frei zugänglich gehalten werden muss. Im Mai endete auch ein Prozess wegen Körperverletzung gegen elf Streithähne auf beiden Seiten. Da die Zwischenfälle verjährt sind, konnte niemand verurteilt werden. Anders als die Nachbarfamilie Marañon musste der prominente Hausbesitzer "seinen" Pool bisher allerdings nicht abreißen.
Der Verlauf der Küstenzone ist auf Mallorca zu etwa 80 Prozent festgelegt. Unklarheiten gibt es noch an der Playa de Muro, bei Pollença, Banyalbufar sowie im Süden zwischen El Arenal und Sa Ràpita und im Bereich der Finca Sa Vall, die der Bankiersfamilie March gehört. Die Abgrenzung ("Deslinde") ist inzwischen überall eingeleitet. Betroffene Besitzer, die in der Vergangenheit legal gebaut haben, genießen Bestandsschutz, dürfen ihr Grundstück aber teilweise nur noch in Erbpacht nutzen. Eine Entschädigung ist in solchen Fällen vorgeschrieben. Zur Zahl der Widersprüche wollte sich die Küstenschutzbehörde auf MM-Anfrage nicht äußern. Derzeit laufe für zehn längere Abschnitte das Raumordnungsverfahren, hieß es.
Dem Naturschutzverband GOB und der grünen Regionalpartei Més ist das indes noch nicht genug: Beide fordern ein besseres Küstenschutzkonzept und neue Kompetenzen für die Balearen-Regierung in diesem Bereich, der bisher von Madrid geregelt wird.
Wie die Grenzlinien am Meer verlaufen und künftig gezogen werden sollen, ist übrigens transparent per Internet einsehbar: sig.magrama.es/dpmt
(aus MM 37/2016)