Auf Mallorca hat Boris Becker einen wirklich großen Fußabdruck hinterlassen: die Finca Son Coll. Das abgelegene Anwesen bei Artà war für den ehemaligen Weltklasse-Tennisspieler ein Drama in mehreren Akten, ein Puzzleteil, das zu seiner Pleite beitrug. Dieser Tage muss sich der 52-Jährige in London vor Gericht verantworten, weil er in seinem Insolvenzverfahren Vermögenswerte unterschlagen haben soll.
Die Becker-Finca jedenfalls gehört ihm nicht mehr. Die Bank, die ihm Ende der 1990er die Hypothek für das Anwesen gegeben hatte, hat sich die Immobilie einverleibt. Wie MM erfuhr, erfolgte der Eigentümerwechsel im November 2019 und wurde im Januar dieses Jahres ins Grundbuch eingetragen. Neuer Besitzer ist die britische Privatbank Arbuthnot Latham. Der Erwerb erfolgte als „Dación en pago“. Es wurde also kein Kaufpreis gezahlt, sondern eine Schuld getilgt.
Zurzeit ist nicht bekannt, was die Bank mit der Immobilie anfangen will. Zum Verkauf steht das Anwesen aktuell nicht.
Aus Makler- und Bauträgerkreisen ist zu hören, dass die Immobilie mittlerweile kaum noch fünf Millionen Euro wert sein soll. Das Haus habe sich „tot gestanden.” Nicht nur die bröckelnden Fassaden und die gesamten Außenbereiche müssten grundlegend saniert, sondern auch alle Gewerke wie Heizung, Sanitär, Elektro erneuert werden, teilten Experten MM mit. Dafür seien mindestens noch einmal drei Millionen Euro aufzuwenden.
1997 kaufte Boris Becker die Finca bei Artà. Das Grundstück ist 245.000 Quadratmeter groß. Gemeinsam mit seiner ersten Frau Barbara Becker wollte er sich dort ein Luxusdomizil errichten. Umgerechnet eine halbe Million Euro zahlte er damals.
Es folgten gigantische Baumaßnahmen und geplatzte Ausnahmegenehmigungen des Rathauses. Becker ließ doppelt so viel Wohnfläche errichten, wie erlaubt war. 500 Quadratmeter wären möglich gewesen. 2001 kam der Baustopp, es folgten Bußgelder und ein Teilabriss. Da nützte auch ein Treffen mit der damaligen Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar, die heute wegen Korruption im Gefängnis sitzt, nichts mehr. Der Bauherr erklärte später, er sei von seinen Beratern falsch informiert worden. Ein Jahr später wollte Becker die Immobilie bereits veräußern. 2006 folgte noch eine offizielle Einweihungsparty mit 120 Gästen, die wohl den Marktwert steigern sollte.
2007 versuchte der Leimener wiederum vergeblich, einen Käufer zu finden. Für 15 Millionen stand das Anwesen zum Verkauf. Der Kern des Luxus-Landsitzes bestehe aus einer imposanten, im marokkanischen Stil gestalteten Steinfinca, an die sich vier weitere Gebäude anschließen. Zudem gebe es mehrere Sportanlagen, so war die Beschreibung damals im Verkaufskatalog des Immobilienunternehmens Kühn & Partner.
Besitzer des Anwesens war Beckers Unternehmen Goatbridge mit Sitz in Palma. Als offizieller Verwalter trat Waldemar Kliesing auf, langjähriger Physiotherapeut des Ex-Sportlers mit eigener Praxis in Aachen. Auf der Finca lebte ein mallorquinischen Hausmeisterehepaar. 2015 ging das Paar vor Gericht, weil Becker ihm 97.665 Euro an Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen schuldete. 14 Jahre lang hatten Bartomeu Barceló und Ángela Simó Son Coll betreut.
Vor Gericht stritt sich Beckers Unternehmen zudem mit zwei mallorquinischen Firmen, da Kosten für Umbauarbeiten nicht bezahlt worden waren. Unklar war, wer die Arbeiten der Firmen überhaupt überwacht und abgenommen hatte. Becker schob die Schuld von sich, laut Goatbridge hatte Immobilienunternehmer Matthias Kühn die Aufträge vergeben und auch bezahlen wollen. Den Prozess gewannen die Gartenbaufirma Jardines Alfabia (Ausstände 276.162,48 Euro und Gerichtskosten von 82.000 Euro) sowie die Baufirma Melchor Mascaró (Schulden insgesamt: 555.351,76 Euro).
Drei Termine zur Zwangsversteigerung des Anwesens wurden in den Jahren 2012, 2014 und 2015 angesetzt. 2014 sollte beispielsweise ein Preis von 7,2 Millionen Euro erzielt werden. Becker zahlte immer in letzter Minute Garantien an und verhinderte so die Veräußerung. Im Juli 2017 wurde die Firma Convenia Profesional zum Konkursverwalter von Beckers Unternehmen Goatbridge ernannt.
Einblicke in die Finca gewährte vor zwei Jahren ein ganz anderer Bewohner. Eine Gruppe deutschsprachiger Hippies besetzte im Mai das Anwesen. In den Vordergrund spielte sich dabei Georg Berres, der sich selbst „Jesus Bruder Bauchi” nannte. Er führte bereitwillig Journalisten über das Grundstück und sprach vor Kameras und Notizblöcken darüber, was er mit dem Anwesen vor hatte. Der Rheinländer schlug pressewirksam ein paar Bälle auf dem hauseigenen Tennisplatz.
Die Hausbesetzer untereinander waren sich nicht grün. Es kam wiederholt zu Streit unter den Bewohnern. „Bauchi” musste gehen, einige Wochen später war er wieder da.
Dem Ganzen setzten ein Polizeieinsatz sowie ein Richterspruch Anfang Oktober 2019 ein Ende. Nach einem Gerichtsurteil sollten die Besetzer das Gelände räumen, auch eine Geldstrafe bekamen sie aufgebrummt. Als Kläger trat damals die Firma Goatbridge auf. Vor einem Jahr zog „Bauchi” aus der Finca aus. Im Januar dieses Jahres räumte die Polizei das Grundstück. Eine dreiköpfige Familie um den Deutsch-Thailänder Daniel G. waren die letzten Bewohner.