Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass der Energiekonzern Endesa ausgerechnet die fehlende Stromversorgung in Teilen des seit vielen Jahren direkt am Meer in Palma leerstehenden Hochhauses als Grund dafür anführt, dass dieses derzeit leider nicht besichtigt werden könne. „Der Zustand des Gebäudes erlaubt momentan keine Besuche”, teilt ein Konzern-Sprecher auf Anfrage mit. „Die Sicherheit kann einfach nicht gewährleistet werden.”
Das weithin sichtbare Bauwerk, das derzeit komplett verrammelt ist und einst der Sitz des Versorgungsunternehmens Gesa war, hat nun jahrzehntelang für Streit, Skandale und Gerichtsprozesse gesorgt. Lange Zeit sah alles danach aus, dass das Werk des mallorquinischen Architekten José Ferragut abgerissen würde. Stattdessen sollten auf dem Filetgrundstück in Top-Lage Luxuswohnungen entstehen. Allerdings durchkreuzte der Inselrat die millionenschweren Pläne und stellte das Hochhaus unter Denkmalschutz. Im vergangenen Jahr präsentierten dann die Stadt Palma und Endesa eine „Vorvereinbarung” über die Zukunft des Gebäudes. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren zeichnet sich damit eine konkrete Nutzung ab.
Insgesamt 5600 Quadratmeter – und damit mehr als ein Drittel der Gesamtfläche des Gebäudes – sollen künftig von der Stadt genutzt werden können. Beabsichtigt sei, dort unter anderem die Büroräume des sogenannten „Energiewende-Clusters” unterzubringen, sagt auf MM-Anfrage der Generaldirektor des städtischen Baudezernats, Biel Horrach. Im Dezember war der „Clúster per a Transició Ecològica de les Illes Balears” gegründet worden. Beteiligt sind daran neben den Stadtwerken, der Balearen-Universität und dem balearischen Energie-Ministerium auch mehrere Konzerne – darunter Endesa.
Geplant ist laut Horrach auch, dass sich in dem Gebäude Firmen ansiedeln, die im Bereich erneuerbarer Energien tätig sind. „Üblicherweise bilden sich im Umfeld von Clustern Start-ups”, sagt Horrach. „Wir wollen hier eine räumliche Nähe herstellen.” Ziel sei es, ein „Ökosystem der Innovation” zu schaffen. Das Gesa-Hochhaus ist als solches Teil des geplanten Innovations-Distriktes Nou Llevant: Der angrenzende Stadtteil soll sich zu einem Modell-Viertel entwickeln, in dem es nicht nur Wohnimmobilien gibt, sondern in dem sich auch Forschungseinrichtungen und Firmen aus innovativen Branchen ansiedeln.
„Bei dem Gesa-Hochhaus handelt es sich um eines der repräsentativsten Gebäude in Palma”, sagt Horrach. Einst sei es ohne Zweifel das Bürogebäude mit dem höchsten Stromverbrauch der ganzen Stadt gewesen. Wenn es nun zum leuchtenden Beispiel für den Energie-Wandel wird, hätte das hohe Symbolkraft. Teil der künftigen Nutzung müsse eine grundlegende Renovierung des Hochhauses sein, um dieses so nachhaltig wie möglich zu machen.
Bevor all diese ehrgeizigen Pläne Realität werden können, müssen allerdings noch die Details der Vereinbarung mit dem Energiekonzern ausgearbeitet werden. Denn der Deal ist kompliziert. Nicht nur das Gesa-Hochhaus selbst ist Teil davon, es geht auch um unbebaute Parzellen in der direkten Umgebung. Die Stadt strebt an, hier eine weitläufige öffentliche Grünfläche zu schaffen. Endesa soll dafür im Gegenzug durch Flächen anderswo entschädigt werden – ein kompliziertes stadtplanerisches Puzzle.
Für Kopfzerbrechen sorgt das Areal, auf dem sich das Gesa-Gebäude befindet, bereits seit Jahrzehnten. Die Bebauungsplanung sah nämlich lange Zeit die Möglichkeit vor, dort – mit unverbaubarem Meerblick und in fußläufiger Entfernung von Palmas Altstadt – zunächst bis zu elf-, dann bis zu siebenstöckige Apartmentblöcke in die Höhe zu ziehen. Kein Wunder, dass sich die bedeutendsten Baukonzerne des Landes die Finger danach leckten. 2005 war es das Unternehmen des ehemaligen Präsidenten des FC Barcelona, Núñez y Navarro, das mehr als 85 Millionen Euro an Endesa überwies.
Eine Voraussetzung für die Bebauung war allerdings der Abriss des Gesa-Hochhauses. Dieser aber rückte bald in weite Ferne. Denn im Jahr 2007 beschloss der Inselrat – wie es etwa die Architektenkammer der Balearen schon seit Jahren gefordert hatte –, das Hochhaus unter Denkmalschutz zu stellen, zwar nicht in der höchstmöglichen Schutzkategorie „Bien de Interés Cultural” (BIC), sondern nur als „Bien Catalogado”, aber auch das reichte bereits aus, um den Abriss zu verhindern – und damit Núñez und Navarro ein Millionengeschäft zu verderben.
Damit wiederum begann einer der spektakulärsten Polit-Skandale in der Geschichte Mallorcas. Der katalanische Baulöwe wollte seine Niederlage nicht einfach so hinnehmen und zog vor Gericht. Er ließ aber nicht nur die Inselrats-Entscheidung zum Denkmalschutz anfechten, er stellte auch Anzeige gegen dessen damalige Präsidentin Maria Antònia Munar – wegen eines ganz anderen Immobiliendeals. Núñez y Navarro hatte einige Zeit zuvor nämlich das Wettbieten um ein anderes Baugrundstück in Palma verloren (Can Domenge unweit des Hauptfriedhofs). Der Inselrat hatte einem der Konkurrenten den Zuschlag erteilt, obwohl dieser deutlich weniger Geld geboten hatte als Núñez y Navarro. Munar räumte später vor Gericht ein, Bestechungsgeld angenommen zu haben. Deswegen wurde sie zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Auch im Fall des Gesa-Hochhauses bekam Núñez y Navarro vor Gericht später Recht. Zwar bestätigten die Richter die Denkmalschutz-Entscheidung des Inselrates, Endesa aber musste die einst kassierten Millionen wieder zurückzahlen – und war nun also wieder im Besitz einer Immobilie, für die es überhaupt keinen Nutzen mehr gab und die obendrein völlig heruntergekommen und renovierungsbedürftig war. Noch immer scheint man sich bei dem Energie-Konzern nicht im Klaren darüber zu sein, wie das Gebäude künftig genutzt werden kann. Es gebe dazu keinerlei Pläne, die darüber hinaus gehen, was mit der Stadt vereinbart werden soll, erklärt ein Konzern-Sprecher.
Auch bis dieses Vorhaben umgesetzt ist, wird noch einige Zeit vergehen. Biel Horrach vom Baudezernat der Stadt will sich derzeit noch nicht einmal darauf festlegen, wann die endgültige Vereinbarung mit Endesa unterschrieben werden könnte. Wohl erst dann wird der Energiekonzern damit beginnen, das Hochhaus zu renovieren. Damit dort dann eines Tages wieder Strom aus den Steckdosen kommt und Besucher empfangen werden können. Das übrigens müssen die Eigentümer von denkmalgeschützten Bauwerken eigentlich gewährleisten – an mindestens vier Tagen im Monat.