Auch ein Schutzpatron benötigt Schutz. Vor allem, wenn er aus Holz ist und in luftiger Höhe steht - so wie der Heilige Julian auf dem Kirchturm der Gemeinde Sant Julià in Campos. Hinter der Figur ragt eine spitze Metallkonstruktion gen Himmel. Sie ist 15 Meter hoch und soll Blitze abwehren.
21.000 Euro hat das gute Stück gekostet, das bei einer Messe feierlich und mit dem Segen des Gemeindepfarrers eingeweiht wurde. Zuvor hatte ein nur acht Meter hoher Blitzableiter über die Unversehrtheit von Sant Julià gewacht - mit mäßigem Erfolg: Vor acht Jahren schlug ein Blitz in das Dach ein. Wie durch ein Wunder blieb die Heiligenfigur auf der Turmspitze unversehrt.
Auf einen neuen Einschlag will man es in der Gemeinde nicht ankommen lassen. Schließlich ist dies schon der dritte Sant Julià, der das Gotteshaus ziert. Die erste Figur des Heiligen stammt aus dem Jahr 1598. Zerfressen von Wind und Wetter, wurde sie 1952 in den Ruhestand versetzt und kann jetzt im Aufgang des Kirchturms besichtigt werden. Die Karriere der zweiten Figur war - für einen Heiligen - kurz: Nach 25 Jahren wurde sie von einem Blitz gespalten. Auch ihre Reste stehen im Innern des Turms.
Doch nicht nur wegen des Heiligen Julian auf dem Turm ist man in der Gemeinde über die zerstörerischen Gewalten von Gewittern besorgt. Schließlich beherbergt die Kirche mit ihrer imposanten Decke aus blauen und weißen Kassetten mit goldenen Sternen einige sehenswerte Schätze, die man jeden Samstag von 10 bis 13 Uhr bewundern kann. Das heutige Gebäude im neobarocken Stil wurde zwischen 1858 und 1873 auf den Resten der ursprünglichen Kirche aus dem 15. Jahrhundert erbaut. Und aus dieser Zeit blieb vieles erhalten.
Gleich in der ersten rechten Seitenkapelle nach dem Eingang befindet sich zum Beispiel hinter einem schmiedeeisernen Gitter ein gotischer Retabel aus dem 15. Jahrhundert. Schräg gegenüber, auf der anderen Seite des Kirchenschiffes, befindet sich eine gotische Christusfigur, von der man annimmt, dass sie ebenfalls aus dem 15. oder aus dem 16. Jahrhundert stammt.
Die Kapelle der Muttergottes von Lourdes war ursprünglich der Muttergottes der Hoffnung geweiht. Als die Lourdes-Welle Ende des 19. Jahrhunderts durch Europa schwappte, war Sant Julià wahrscheinlich die erste Gemeinde auf Mallorca, die dem Wunder in der südfranzösischen Stadt mit einem Altaraufsatz Rechnung trug.
Ein barocker, goldener Altaraufsatz mit der Abendmahlsszene in der Kathedrale von Palma gilt als der schönste Mallorcas - quasi sein Ebenbild, möglicherweise sogar das Originalmodell befindet sich in Sant Julià. Der größte Schatz im Kirchenschiff ist ein Bild des Jesus der Geduld: es wird dem Maler Bartomeu Esteva Murillo zugeschrieben, von dem auch Werke im Prado in Madrid zu sehen sind.
Hinter der Sakristei befindet sich ein kleines, aber feines Museum mit allerlei Schätzen und Kuriositäten. In einer Vitrine etwa lagert eine Waffelzange sowie Stanzen und Prägewerkzeug für die Herstellung von Hostien. Auch Bleimünzen und ihre Prägeform sind ausgestellt.
Zu sehen ist auch ein ganzer Korb voller "Plomos". So heißen alte Bleimünzen, für die jede Gemeinde ihre eigene Prägung hatte. Um nicht ständig die Geldschatulle der Gemeinde öffnen zu müssen, dienten sie als kircheninterne Ersatzwährung, die dann nach einer bestimmten Frist in richtiges Geld umgetauscht wurde.
Neben Rosenkränzen und Heiligenfiguren liegt auch eine mehrschwänzige Geißel hinter Glas. Man hatte sie irgendwann in der Kirche gefunden. Von wann und von wem sie stammt und ob sie überhaupt je benutzt wurde, das weiß allein der Herrgott.
WAS, WANN, WO
Öffnungszeiten: Sa 10 bis 13 Uhr, außer an Feiertagen
Museum nur nach Voranmeldung beim Gemeindepfarrer Mossén Francesc Munar (einen Tag vorher, 971-650003).
Eintritt: frei; eine kleine Spende ist jedoch angemessen.
Anfahrt: Samstags ist in Campos Markt und wegen Straßensperrung ist die Kirche am besten zu Fuß zu erreichen. Parkmöglichkeiten: Ortseingang oder an der westlichen Umgehungsstraße; Fußweg von dort zirka 5 Minuten (siehe Karte).
Adresse: Esglèsia de Sant Julià, Carrer de la Parròquia s/n, Campos.
(aus MM 53/2015)