Wie kann es sein, dass ein Armenier und ein Tatare die urmallorquinischen Namen Antoni Bonet und Martí Llenares tragen? Des Rätsels Lösung: Bonet und Llenares waren Sklaven, die im 14. Jahrhundert in Felanitx lebten. Nach ihrer Taufe erhielten sie den Familiennamen ihrer Herren.
Über Jahrhunderte waren Leibeigene ein Teil der mallorquinischen Gesellschaft. Manche fanden sogar den Weg in die Geschichtsbücher. Zum Beispiel jener Sarazene, den der Selige Ramon Llull nach seiner Abkehr vom weltlichen Leben auf dem Sklavenmarkt erstand. Von ihm lernte er Grundkenntnisse der islamischen Theologie und Arabisch. Das Bildungsprogramm endete tragisch: Nach einem religiösen Streit ging der Sklave auf Llull los, landete im Gefängnis und nahm sich dort das Leben.
"Die Existenz der Sklaven als zahlenmäßig bedeutende Gruppe auf Mallorca während des ganzen Mittelalters und der Neuzeit ist ausführlich dokumentiert", schreibt der Historiker Pedro de Montaner. Unter den Sklaven befanden sich Sarazenen und Mauren, Griechen und Türken, Tataren und Kaukasier, Armenier, Bulgaren und Russen.
Erstehen konnte man sie zum einen auf Märkten. Die bedeutendsten Zentren des Sklavenhandels waren zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert Montpellier, Genua, Venedig, vor allem aber Palermo. Auch in Barcelona, Valencia und Sevilla wurde mit Menschen gehandelt.
Die andere Weise, an Sklaven zu kommen, war die Freibeuterei. Allein zwischen 1375 und 1395 wurden mehr als 60 Kaperbriefe ausgestellt, und 1387 durften Sarazenen-Sklaven nicht mehr auf den Märkten gekauft, sondern nur noch als Kaper-Beute eingeführt werden.
Als "Bords", also Bastarde, wurden Sklaven bezeichnet, die in Unfreiheit geboren wurden. Dabei handelte es sich um Kinder von Sklavinnen, die von einem Freien geschwängert wurden. Handelte es sich bei dem Freien nicht um den eigenen Herrn, waren sie trotzdem dessen Eigentum und wurden abschätzig "Ernteerzeugnis" genannt.
Oft wurden die Bastarde von ihrem Herrn - und Vater - in die Freiheit entlassen. Doch Montaner weiß auch das genaue Gegenteil zu berichten: So war Joanot-Balthazar Thomás, der seine "bords" zusammen mit seinem Vieh verkaufte, kein Einzelfall.
Unter den Leibeigenen gab es den Stadt- oder Haussklaven, der im Pferdestall, auf dem Dachboden oder im Erdgeschoss hauste. Auch gab es den Landsklaven. "Ihre Lebensbedingungen waren natürlich härter als die der Stadtsklaven", schreibt Montaner. Unter anderem ersetzten sie bei der Feldarbeit die Zugtiere. Allerdings weist er darauf hin, dass auch Bauern diese Arbeit verrichteten, wenn sie kein Maultier oder keinen Ochsen hatten. Zudem seien Tagelöhner meist nicht besser als die Sklaven behandelt worden.
Ein lukratives Geschäft waren die Leihsklaven. Um mit ihnen Geld zu verdienen oder ihre Schulden zu begleichen, ließen ihre Herren sie für andere Handwerks- oder Feldarbeit verrichteten. "Nicht selten gewann ein Sklave mit einem Teil des verdienten Geldes seine Freiheit", schreibt Montaner. Der Historiker weiß jedoch von Fällen zu berichten, in denen sich Herren in Zuhälter verwandelten und Sklavinnen als Prostituierte verliehen.
Mit dem moralischen Skrupel vor dem Handel mit fremden Menschen war es nicht weit her. Selbst bedeutende Familien und Honoratioren der Insel widmeten sich diesem Geschäft. Wie sollte es auch anders sein, besaß doch selbst die Kirche Sklaven. So ist beim Bau der Kathedrale der türkische Leibeigene Mostafá, der später Pere hieß, vermerkt. Er hatte zuvor einem freigelassenen Türken gehört, der auf den Namen Antoni Perpinyà getauft wurde. Auch von Konventen wie dem Minimisten-Kloster Sant Francesc de Paula in Campos ist bekannt, dass dort Sklaven gehalten wurden.
An die Sklaverei erinnert noch heute der Carrer de sa Mà des Moro, die Straße der Maurenhand, in Palma. Der Name geht auf die Ermordung des Priesters Martí Mascort im Jahr 1731 zurück. Als Täter bekannte sich der maurische Sklave des Hauses schuldig. Die Scharia hätte es nicht besser vorschreiben können: Nach seiner Hinrichtung wurde seine Hand abgehackt und zur Abschreckung in einer Mauernische des Tatortes aufgehängt. Glaubt man dem Cronicón Mayricense, einer zwischen 1881 und 1884 erschienenen Sammlung historischer Notizen und Aufzeichnungen, war die Hand mindestens bis 1840 dort zu sehen. Den Rest fügt die Legende hinzu: Jedes Jahr am 15. November, dem Tag der Hinrichtung, ist abends das Geräusch der blutenden Hand des Mauren zu hören, die an der Mauer kratzt.
(aus MM 4/2017)