Bikini-Girls bräunen auf den weißen Liegen ihre makellosen Körper. Keine 200 Meter entfernt von dem distinguierten Strandlokal Purobeach in Can Pastilla schwitzen eine Handvoll Archäologen bei staubigen Erdarbeiten in praller Sonne. Auf dem vorgelagerten Inselchen in der felsigen Badebucht von Can Pastilla in Palma haben sie seit 2012 die Vergangenheit des Eilands Na Galera ans Tageslicht befördert.
Eine blutrünstige Geschichte allemal. So wie die der jungen Frau. Die Schwangere wurde auf dem Inselchen getötet, ihre Leiche in eine der drei Zisternen geworfen. Dort blieb die angehende Mutter verdreht auf dem Bauch mit dem Kinde darin liegen, bis die Archäologen Ramón Martín und Jorge Argüello rund 2000 Jahre später die Skelette der beiden fanden.
Und nicht nur die: In einer zweiten, deutlich größeren und tieferen Zisterne stießen die Forscher bei ihren Ausgrabungen auf die Skelette vier weiterer Menschen, ihre Knochen von mittelalterlichen Schatzsuchern wild durcheinandergewühlt und liegen gelassen. Und in einem weiteren Felsloch, das ebenfalls als Speicher für Regenwasser gedient hatte, fanden sich Gebeine eines Mannes, der leblos und obendrein gefesselt dort hineingestoßen worden war.
Ob es sich bei all diesen Toten um Mitglieder einer Familie handelte, die dort gewaltsam ums Leben gebracht wurde, könnten Erbgutanalysen zeigen. "Doch diese sind sehr teuer, und ich weiß nicht, ob es dazu kommen wird", sagt Ramón Martín.
Na Galera liegt wie ein umgekehrter Suppenteller auf der Wasserfläche, so nah, dass sich immer wieder jemand findet, der zur Insel hinüberschwimmt oder sie in Badehose per Stand-up erpaddelt. Doch wenn der Archäologe zwischen den rauen Steinen von der Vergangenheit erzählt, dann versinkt die Gegenwart um ihn unwillkürlich in finstere Zeiten von Krieg und Terror. So stammen die Toten aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Möglicherweise lebte die Familie damals in einer armseligen Strohhütte auf dem Eiland, als die Totschläger auftauchten. Wer, was, wie ist unklar. Fest steht nur, dass Mallorca damals in den Punierkriegen längst von den Römer erobert und die Blütezeit von Na Galera ein Ende gefunden hatte.
Blütezeit auf dem kargen Stein? "Als wir anfingen zu graben, vermuteten wir hier ein Handelszentrum, wo die Phönizier einst mit der Inselbevölkerung Waren austauschten", sagt Martín. Doch es fanden sich weder Öllämpchen noch Amphorenreste. Da war den Experten rasch klar, dass sie vor einer besonderen Entdeckung standen: Na Galera erwies sich als ein Kultort der Phönizier, beziehungsweise ihre punischen Ableger auf Ibiza. Sie liefen das Inselchen einzig zu dem Zweck an, um dort ihren Gottheiten zu huldigen, ihnen Dankes- oder Bittopfer darzubringen, etwa für gefahrlose Überfahrten von und zum Festland. "Was wir hier vor unserer Küste haben, ist die bedeutendste archäologische Fundstätte des westlichen Mittelmeeres in Sachen Punier."
Bei den Grabungen kam zum Vorschein, dass die antiken Seefahrer dort aus dicken Sandsteinblöcken, die sie eigens auf der Insel brachen, ein Heiligtum errichtet hatten, ein quadratisches Geviert, fünf mal fünf Meter, ohne Dach. Dort opferten sie im dritten Jahrhundert vor Christus ihren Göttern, indem sie ihnen Wein oder Milch darboten und anschließend die irdenen Behältnisse zerschlugen. Was des Gottes gewesen war, daraus sollte kein Mensch mehr trinken können. Von daher all die Keramikscherben in den tiefsten Fundschichten der Zisternen, die nun, fast 2500 Jahre später, die Archäologen in Euphorie versetzen, ganz abgesehen von einigen punischen Münzen, die ebenfalls aus dem Erdreich herausgesiebt werden konnten.
Das Heiligtum muss so gefragt gewesen sein, dass dort in jener Zeit zwei weitere Menschen, vermutlich hohe Würdenträger, ehrenvoll bestatten wurden, wie deren sterbliche Überreste in den Grablagen eindrucksvoll belegen.
(Keramik-)Scherben bringen Glück: Jetzt hat sich die Hotelgruppe Puro bereit erklärt, das Forschungsprojekt in den kommenden drei Jahren mit jährlich 16.000 Euro zu unterstützen. Das Geld solle dem Reinigen, Dokumentieren und Konservieren der Fundstücke dienen. Auch die Stadt Palma beteiligt sich an dem Abkommen, um die Bedeutung von Na Galera zu unterstreichen. Das Ergebnis: Im September und Oktober gibt es donnerstags und samstags jeweils um 10 und 12 Uhr zwei Führungen auf dem Eiland.
(aus MM 35/2017)