Wie sehr sich Palma und Mallorca in den vergangenen 20 Jahren verändert haben, lässt sich an einer Institution ermessen, die es davor noch gar nicht gegeben hatte. Erst damals, sprich reichlich spät, bekam die Hauptstadt der Balearen ihr erstes öffentliches Museum. Am 30. Januar 2004 wurde das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Es Baluard feierlich eröffnet. Selbst das damals noch nicht emeritierte spanische Königspaar Juan Carlos und Sofía gab sich zur Einweihung die Ehre.
Seinen Namen hat das Museum von dem alten Schutzwall, auf Mallorquín „Baluard“, der einst ganz Palma umgab. Das Museum wurde in die Feste aus dem 16. Jahrhundert hineingebaut. Die gelungene Mischung aus altem Gemäuer samt altem Wasserspeicher, Glas und Beton trägt die Handschrift von vier Architekten Mallorcas: Lluís und Jaume García-Ruiz, Vicente Tomás und Angel Sánchez Cantalejo.
Die Geschichte des Museums reicht in die 1990er Jahre zurück. Damals stand Palmas Baudezernent Carlos Ripoll im Büro von Pere A. Serra, dem 2018 verstorbenen Verleger und Gründer der Verlagsgruppe Serra. Dieser war bekannt als großer und passionierter Kunstsammler und eng befreundet mit Joan Miró.
Beeindruckt von den hochwertigen Werken, die in Serras Büro dicht an dicht hingen, fragte ihn Ripoll, ob er schon einmal über ein öffentliches Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in der Balearenhauptstadt nachgedacht habe. Und Serra hatte. Schließlich hatte ihm Spaniens König Juan Carlos bereits lange vorher gesagt: „Diese Stadt braucht ein Museum!“
Ripoll wies zum Fenster hinaus auf die Bastei von Sant Pere, die einst dem Schutz vor Piraten und jetzt als wilde Müllhalde diente. Er erkundigte sich, ob der Verleger für ein Museum an dieser Stelle einen Teil seiner Kunstsammlung abtreten würde. Serra sagte zu. Seine Kunststiftung bildete mit der Stadt Palma, Mallorcas Inselrat und der Regierung der Balearen die Trägerstiftung des Es Baluard. Als deren Vorsitzender konnte er dem König bei der Eröffnung am 30. Januar 2004 vermelden: „Majestät, hier ist das Museum.“
Auf mehr als 5000 Quadratmetern fügen sich Beton und Glas in das alte Gemäuer ein, die Hälfte der Fläche steht der Kunst zur Verfügung. Über der alten Stadtmauer erhebt sich das museale Wahrzeichen, eine Skulptur von Santiago Calatrava. Serra setzte sie gegen den Widerstand der Denkmalschützer durch.
Mit Schenkungen und Leihgaben der Fundació Serra, Exponaten aus den Sammlungen von Stadt, Inselrat und Govern sowie durch Käufe, Schenkungen und weiteren Leihgaben umfasst die Sammlung des Museums heute mehr als 800 Werke von Künstlern, die mit den wichtigsten internationalen Kunstströmungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verbunden sind. Dazu gehören Hermen Anglada-Camarasa und Santiago Rusiñol, Joan Miró und Pablo Picasso, Robert Motherwell und Antoni Tàpies, ebenso heutige Künstler wie Miquel Barceló, Rebecca Horn, Shirin Neshat, Jaume Plensa, Fabrizio Plessi, Bernardí Roig und Amparo Sard. Um nur einige zu nennen. Neben der Sammlung waren im Museum zahlreiche temporäre Ausstellungen zu sehen, darunter Installationen von Rebecca Horn und Christian Boltanski, die Schau „Romanticism“ mit Arbeiten von Lou Reed und Werke von Anselm Kiefer aus der Sammlung Grothe.
Alles ganz prima, möchte man meinen. Doch trotzdem war Verleger Serra als Stiftungspräsident in den Konkurrenzmedien immer wieder Zielscheibe der Kritik. Bemängelt wurde etwa, dass ein Privatunternehmer einer öffentlichen Museumsstiftung vorsitze; dass der Fundus des Museums auf nur einer, nämlich seiner Privatsammlung gründe; dass deren Wert weit überschätzt werde. „Wäre ich nicht Medienunternehmer, sondern Textilfabrikant, hätten mich alle mit Lorbeeren überschüttet“, konterte Serra dies.
2007 gab er den Vorsitz im Stiftungsrat auf. Den Grund dafür nannte der Verleger erst später: Im Stiftungsrat hätten Politiker gesessen, die in einen Korruptionsskandal verstrickt waren. „Sie baten mich um Dinge, die ich nicht tun konnte.“ Da waren ihm seine Medien wichtiger als das Museum. „Sie sind alle meine Kinder, aber Es Baluard ist – sagen wir, von einer anderen Frau“, sagte er einst. Bis zu seinem Tod blieb er, wie in seiner Verlagsgruppe, Ehrenpräsident des Museums.
Eine Geschichte für sich ist die der Direktorinnen des Museums. Nur zwei Tage nach der Eröffnung des Es Baluard trat die erste Leiterin Teresa Jofre-Pérez von ihrem Amt zurück. Als Grund nannte sie familiäre Umstände und widersprach vehement Gerüchten über Differenzen mit der Museumsstiftung. Zwei Monate später übernahm Marie-Claire Uberquoi das Amt, bis ihr im Februar 2008 gekündigt wurde. Ihre Nachfolgerin Cristina Ros lenkte vier Jahre lang, bis Februar 2012, die Geschicke des Museums. Anschließend blieb die Stelle ein Jahr und einen Monat lang vakant. Erst im März 2013 übernahm Nekane Aramburu das Steuer, der sechs Jahr später Inma Prieto nachfolgte. Weil sie zur neuen Direktorin des Fundació Tàpies in Barcelona berufen wurde, schied Prieto im vergangenen August als Leiterin aus.
Seither ist die Stelle wieder unbesetzt. Neu ausgeschrieben wurde sie am 14. Dezember, die Bewerbungsfrist endet am 6. Februar. Und vor wenigen Tagen wurde die Bewertungskommission für das Auswahlverfahren ernannt. Sie besteht aus dem Direktor des Museums Thyssen-Bornemisza in Madrid, Guillermo Solana, dem Schriftsteller und Kunstkritiker Fernando Castro Flórez, der unabhängigen Kuratorin Neus Cortés, dem Künstler Bernardí Roig und der Kuratorin und Kulturmanagerin Alícia Ventura.
Wer immer die Leitung übernehmen wird, der vordere Platz in der Chronik des Museums bleibt Pere A. Serra vorbehalten. Ohne ihn wäre das Es Baluard seinerzeit nicht entstanden.