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Dekonstruierte Inselküche

Juan Amador macht in der Küche und im Gespräch klare Ansagen. | Amadors Wirtshaus, Wien

| Mallorca |

Darauf muss man erst einmal kommen: Rote Sóller-Gambas mit Blumenkohl, Limette und Wälderschokolade aus Molke ("Sig") oder Petersfisch mit Palffy-Knödel und Speck. Es sind Ideen, wie sie wohl nur die besten Köche der Welt haben. Einer davon ist Juan Amador. Der Schwabe mit andalusischen Wurzeln präsentierte sich am Wochenende bei einem Event in den Räumen der Bodega Maruccia in Llucmajor.

Der 47-Jährige verbindet spanisches Temperament mit deutscher Perfektion und führte in Mannheim lange Zeit das wohl avantgardistischste Drei-Sterne-Restaurant des Landes. Nach der Schließung des Lokals 2015 tanzt der Starkoch, dem man sein Selbstbewusstsein und seine Direktheit im Gespräch anmerkt, nun gleich auf drei Hochzeiten. Im Mittelpunkt steht dabei "Amadors Wirtshaus" in Wien mit angegliederter Greißlerei, also einem Feinkostladen. Den Neustart erleichtert auch, dass Amadors zweite Frau Österreicherin ist, und das Paar schon seit Langem fast jedes Wochenende in der Kapitale verbringt.

Darüber hinaus leitet der Meister aber auch das "Sra. Bua by Amador" im Kempinski-Hotel Frankfurt-Gravenbruch sowie das "Alma by Juan Amador" in Singapur. "Man muss auch mal loslassen können, wenn ein gutes Team vorhanden ist", gibt er einen Hinweis zur Funktionsweise dieser Dreiteilung, die Asien mit spanischer Küche beglückt und auch in umgekehrter Richtung funktioniert. "Die Mutter aller Küchen ist die französische. Aber der Austausch macht die Sache spannend. Mir ist es wichtig, immer offen zu bleiben und die kulinarische Melodie ständig mit neuen Tönen zu ergänzen", so Amador im MM-Gespräch.

Im Unterbewusstsein mache sich dabei hin und wieder auch die mallorquinische Küche bemerkbar. Denn mit der Insel verbindet den Chef eine lange Liebe, seit er 1996 erstmals ihren Boden betrat und als Kochlehrling Urlaub an der Playa de Palma machte. Schon damals stand ein Besuch bei Gerhard Schwaiger in Puerto Portals auf dem Programm.

"In keinem Restaurant habe ich so oft gegessen wie im Tristán", bekennt der Mallorca-Fan, der seine erste Hochzeit im Jahr 2006 mit einer riesigen Party im Purobeach feierte.

Anschließend führte er parallel zu Projekten in Deutschland bis ins Jahr 2007 das Restaurant El Pato in Palmas Villenviertel Son Vida. Auch wenn die Insel für Amador nach der Scheidung 2011 eine Zeit lang "ein rotes Tuch" war, hielt der Entzug nicht lang an: Schon seit 2013 zählt er wieder zu den regelmäßigen Gästen, zieht mit Freunden wie Gerhard Schwaiger und Frank Maruccia um die Häuser. Der Kontakt zu dem deutsch-italienischen Winzer und früheren Unternehmensberater, der wie Amador im Remstal aufgewachsen ist, kam über das Thema Wein zustande, denn die Produkte der Bodega Maruccia stehen schon seit einiger Zeit in den Amador-Lokalen auf der Karte und sollen demnächst auch in eine Wunsch-Cuvée unter dem Label "Edición Juan Amador" einfließen.

Wie erklärt der Spitzenkoch die erstaunlichen Gegensätze in seinen Rezepten? "Mar y montaña" lautet hier das Stichwort, also "Meer und Berge". Es handelt sich um ein Konzept aus der katalanischen Küche, das auch Franzosen und Italienern nicht fremd ist, und scheinbar Unvereinbares wie Fisch und Pilze zusammenbringt.

Kaum jemand hat sich in diesem Bereich so hervorgetan wie der Katalane Ferran Adrià. "Inspiration, Mut, Techniken - für mich ist er das kulinarische Genie im 20. Jahrhundert", sagt Juan Amador über den Pionier der Molekularküche, den er schon persönlich zu schätzen gelernt hat, als ihn noch keiner kannte. Auch wenn er heftig bestreitet, sich etwas "abgeschaut" zu haben, gibt es doch Parallelen: Beide arbeiten mit Verwirrung und Dekonstruktion, versuchen Dinge in ihre Elemente zu zerlegen, um sie neu zu kombinieren. Das gelingt beim "Laubfrosch" mit Jakobsmuschel, Kalbsbries, Petersilie und giftgrüner Petersiliensoße auf Chlorophyllbasis vielleicht nicht ganz so gut wie bei der unglaublichen "Mieral-Taube mit Purple-Curry, Mango und Cocos".

Im Unterschied zu Adrià wird Amador jedoch zu recht nachgesagt, dass es bei ihm stets auch schmeckt.

(aus MM 30/2016)

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