Exakt 200 Milligramm mit geringfügigen Abweichungen – das ist das Gewicht eines Samenkorns vom Johannisbrotbaum, wie er auf Mallorca in Massen vorkommt. Da die Gewichtsunterschiede der Körner genetisch bedingt niemals größer als fünf Prozent sind, wurden sie in der Antike als Wägeeinheit für Edelsteine verwendet. Daran erinnert die Bezeichnung Karat, die bis heute einer Masse von 200 Milligramm entspricht, wenn es um Pretiosen geht. Der so genannte "Feingehalt" von Gold hat allerdings eine andere Bedeutung.
Auch sonst hat die Frucht (span. "Algarroba") interessante Eigenschaften, die immer öfter für hochwertige Lebensmittel nutzbar gemacht werden. Das Fleisch der Hülsen, das sogenannte "Carob", ist anfangs weich und aromatisch-süß, später wird es hart und ist dann lange Zeit haltbar. Die gemeinnützige Stiftung Es Garrover in Inca, in der auch viele Behinderte beschäftigt sind, verarbeitet es neuerdings zu einem ökologischen Johannisbrotmehl, das unter anderem beim Kaufhaus El Corte Inglés erhältlich ist. Der Großhandel und Fachvertrieb läuft auch über Productos Martín in Llucmajor.
In Mitteleuropa ist das Produkt schon länger aus dem Reformhaus bekannt, wobei der fruchtige lakritzartige Geschmack etwas an Kakao erinnert. Im Gegensatz zu diesem ist entzuckertes Carobpulver aber sehr fettarm und ballaststoffreich. Enthalten sind unter anderem Vitamin A, B, Calcium und Eisen. Eine Studie hat ergeben, dass bei täglichem Konsum zumindest kurzfristig die Blutfettwerte sinken. Manche glauben sogar, dass der Verzehr Übergewicht vorbeugen kann, obwohl dazu keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen.
Manchmal wird das traditionelle Erzeugnis sogar als "Schokolade Mallorcas" bezeichnet. Grund genug für die Inselfirma Helados Jop aus Campos, seit diesem Frühjahr ein Speiseeis auf Johannisbrotgrundlage herzustellen. "Wir setzen damit auf ein Produkt von hier, das aus Bauernhand direkt vom Land kommt", sagt Produktionsleiter Txiqui Calzado. Beim Publikum komme die neue Kreation bisher recht gut an.
Ein Trend, auf den nun erstmals auch ein mallorquinischer Spirituosenhersteller aufgesprungen ist. "Tragus" aus Deià hat diesen Sommer einen Likör präsentiert, der zum Teil aus klassischen Kräutern besteht, zum Teil aber aus Johannisbrotextrakt. "Das Aroma ist sehr kräftig und mit einem normalen Kräuterlikör gar nicht zu vergleichen", meint Biel Pau Bibiloni. In den nächsten Wochen soll der neue Likör, der bereits mit hochwertigen Food-Fotos beworben wird, in den Handel kommen.
Ganz neue Perspektiven also für eine traditionsreiche Frucht, die bisher eher für ihre Kerne geschätzt wurde. Das aus ihnen gewonnene weiße Pulver ist vom erwähnten Mehl aus dem bräunlichen Fleisch der Hülsen zu unterscheiden und hat europaweit die einheitliche Bezeichnung E 410 als Lebensmittelzusatzstoff. Es ist geschmacksneutral und wird unter anderem als Verdickungsmittel oder Stabilisator eingesetzt. Es gehört zu den wichtigsten Exportprodukten Mallorcas und wird auf Spanisch als "Goma Garrofín" bezeichnet. Nur in dieser Form sind die Samen für Menschen genießbar. Ansonsten werden sie zusammen mit der restlichen Schote jedoch auch gerne an Schweine verfüttert.
(aus MM 39/2016)