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Mehl aus Edelsteingewichten

Unternehmen stellt einzigartiges Produkt aus den Kernen der Johannisbrotschoten her

Anhand von drei Behältern erklärt Julia San Segundo, technische Leiterin der Firma Carob S.A., die Produktion des Johannisbrotkernmehls: Der braune Rohstoff (linker Behälter) wird entschalt und gespalten (M.), anschließend zu weißem Pulver gemahlen (r.) . | Foto: as

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Ein kleiner Betrieb auf Mallorca, 27 Mitarbeiter, mit einem ausgewiesenen Nischenprodukt, das in die ganze Welt exportiert wird ...

"Ja, es stimmt, man könnte uns mit den Galliern vergleichen", sagt Julia San Segundo, technische Leiterin der Firma Carob S.A. im Industriegebiet von Marratxí. Hier Asterix, Obelix und ihr Dorf, das als winzige Ausnahme nicht vom römischen Imperium erobert werden konnte, dort das Unternehmen aus Mallorca, das einen gefragten Lebensmittelzusatz produziert und so ziemlich als einziger Hersteller in Spanien nicht von den großen Lebensmittelkonzernen geschluckt wurde. "Wir stellen nur dieses eine Produkt her und wollen auch in Zukunft unabhängig bleiben", betont San Segundo.

Das Produkt, von dem die Rede ist, ist ein weißes Pulver. Gewonnen wird es aus den Samen des Johannisbrotbaums. Sie sehen aus wie winzige, eingetrocknete Kaffeebohnen. Das aus ihnen gewonnen Pulver hat europaweit eine einheitliche Bezeichnung: "E 410".

Wer die Kennzeichnung der internationalen Lebensmittelverordnung auf der Verpackung von Speiseeis, Kochschinken, Marmeladen oder Pudding findet, hat den Beleg dafür, dass die Ware "Johannisbrotkernmehl" enthält. Auf Spanisch heißt der Stoff "Goma garrofín".

Die Johannisbrotbäume sind jene, die immergrün auf den trockensten Feldern der Insel stehen und spanisch "Algarrobos" genannt werden (die Baum-art stammt ursprünglich aus Ägypten und Äthiopien). Die Früchte, der Bäume, schwarzbraune Schoten, heißen auf Spanisch wiederum "Algarrobas" und enthalten je nach Größe fünf bis 15 Samen.

"Wir kaufen nur die bereits herausgelösten Samen, " erklärt San Segundo. Tatsächlich sind die steinharten Kerne auch auf dem Straßenbelag vor dem modernen Industriegebäude zu finden, wo sie sicherlich bei der Anlieferung von einem Lastwagen gefallen sind. Die Bäume auf den Balearen können gar nicht genug Samen liefern, um den Bedarf der Firma Carob S.A. nach dem Rohstoff zu decken. Darum kauft das Unternehmen im gesamten Mittelmeerraum Samen zu. Marokko, Italien, Portugal, das spanische Festland, alle liefern Kerne nach Mallorca. Wobei die mallorquinischen Kerne als besonders hochwertig gelten: Sie sind größer und haben somit mehr Inhalt.

Früher wurden im arabischen Kulturkreis Diamanten und Edelsteine mit den Samen des Johannisbrotbaums aufgewogen, auch weil die Kerne stets als identisch groß angesehen wurden. Aus dieser Tradition stammt auch der Begriff "Karat" her, der heute für die Reinheit von Edelmetallen verwendet wird.

Benötigt wird E 410 von der Lebensmittelindustrie als natürliches Verdickungsmittel und Stabilisator. Das Johannisbrotkernmehl ist nur in heißem Wasser vollständig löslich, es ist vollkommen geschmacksfrei und geruchsneutral, und somit sehr begehrt bei Herstellern von Konfitüren, Gelees, Backwaren, Obst- und Gemüsekonserven, Milchmixgetränken. Auch für Bio-Produkte ist der Stoff aus der Natur uneingeschränkt zugelassen.

Die Herstellung von E 410 ist im Vergleich zu gleichwertigen Produkten aus der chemischen Industrie relativ unkompliziert. Die Kerne werden in einem Säureverfahren von ihrer harten Schale getrennt, das Innere wird ähnlich wie bei einer Mandel in zwei Hälften gespalten. Der proteinreiche Keimling darin wird entfernt; bleibt die reine Zuckermasse, ein langkettiges Polysaccharid, das größtenteils aus Mannose (vier Fünftel) und Galactose (ein Fünftel) besteht. Der Anteil an dem Lebensmittelzusatz ist gering, liegt bei deutlich unter einem Prozent.

Carob S.A. wurde in Jahre 1976 von zwei mallorquinischen Unternehmern gegründet. Ursprünglich stellte die Firma in Son Sardina aus Johannisbrotschoten Kraftfutter für Tiere her. Doch den Eigentümern war rasch klar, dass die Rendite höher wäre, wenn sie auf Lebensmittel für den menschlichen Verzehr setzten. 1996 eröffneten sie den Betrieb in Marratxí, der den ISO-Qualitätsnormen verpflichtet ist.

"Wir legen Wert auf Spitzenqualität", betont San Segundo. Mit diesem Konzept habe das Unternehmen eine treue Stammkundschaft gewonnen, die vor allem nördlich der Alpen, in den USA und Japan Industriestandorte besitzt. Wie international Carob S.A. ausgerichtet ist, wird auch daran erkennbar, dass der Online-Auftritt der Firma einzig in Englisch gehalten ist.

Über Details aus der Firmenproduktion darf San Segundo nicht sprechen. Nur so viel: Im Jahr werden in Marratxí rund 1500 Tonnen E 410 gefertigt. Tendenz steigend. 95 Prozent gehen ins Ausland. Die Einnahmen aus dem Export belaufen sich nach Angaben des spanischen Statistikamtes auf rund zehn Millionen Euro.

Zum Vergleich: Mit Weinverkauf erlösen die Bodegas der Inseln im Jahr insgesamt 25 Millionen Euro.

(aus MM 12/2014)

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