Sie heißen Joana und Morritos. Die beiden Schafe gehören Adriana Meunié aus Cas Concos. Und die Vierbeiner zählen zu den wolligen Gesellen, die der Designerin und Textilkünstlerin das Material für ihre Kunst liefern. Nun sind Wandteppiche an sich ja nichts über die Maßen Außergewöhnliches – denkt man. Bis man die Tapisserien von Adriana Meunié sieht. Denn die Mallorquinerin, Jahrgang 1985, webt aus Palmenfasern, Gräsern wie Esparto oder eben aus Schafwolle unter anderem großformatige Werke, die auf der Insel ihresgleichen suchen. Ihre Arbeiten sind irgendwie wild, frech und vor allem ausgefallen. Zottelig, fransig, wuchtig und herrlich verrückt – das ist ihre Kunst handmade auf der Insel.
„Diese Materialien aus meiner Umgebung zu verwenden, erlaubt es mir, mit Volumen und Texturen zu arbeiten”, sagt die Künstlerin mit Atelier in Ses Corvetes. „Das hat auch etwas Monströses.” Benutzt sie Wolle, dann ist es Wolle im Rohzustand, unbehandelt also. „In jedem meiner Werke steckt damit etwas Ursprüngliches von den Tieren und auch von den Menschen, die sie aufgezogen und geschoren haben“, findet Adriana Meunié. „Besonders die Wolle erscheint mir ausgesprochen schön, mir gefällt es, sie anzufassen, mir gefällt ihr ganzer Entstehungsprozess. Ich mag eine solche authentische Schönheit des Materials.”
Neben Wandteppichen kreiert sie auch Kleidungsstücke, die sie auf der Insel herstellen lässt. Warme Jacken zum Beispiel – auf dass auch ein noch so kalter Winter dem Träger oder der Trägerin rein gar nichts anhaben kann. Denn: Ihre Anziehsachen sind so designt, dass sie von Männern und Frauen gleichermaßen getragen werden können. Zudem gibt es sie nur in einer Größe.
Verfallen ist sie der Naturwolle, als sie einen Schäfer in Es Llombards besucht hatte – mit dem Ziel, etwas Wolle zu kaufen. Das Ganze endete damit, dass sie mit einem Treckeranhänger voller Wolle nach Hause fuhr. So etwas nennt man wohl Liebe zu einem Material auf den ersten Blick. Und diese hängt auch mit einem Satz zusammen, den der Schäfer damals zu ihr sagte: „Wenn du die Wolle nicht nimmst, werfe ich sie weg.” Es gab einfach keine Abnehmer für diese unbehandelte Schur."
Nach und nach schaffte Meunié sich selber Schafe wie „Joana” und „Morritos” an. Auf ihrer Finca wohnt dazu „Petit”, eine von diesen wilden mallorquinischen Ziegen. Diese Cabra allerdings hat sich offenbar entschlossen, häuslich zu werden und Adriana nicht mehr von der Seite zu weichen.
Was sie an ihrer Arbeit fasziniert? „Dass die Wolle eines jeden Schafes im Prinzip anders ist und sich daraus unendlich viele Formen schaffen lassen”, erzählt die Textilkünstlerin. Und nicht nur sie selbst kann sich für ihre Arbeiten begeistern. Mittlerweile hängen ihre Werke in verschiedenen Teilen der Welt: in den Vereinigten Staaten, in den Niederlanden, in Schweden. Und natürlich auch auf Mallorca. So hat sie zum Beispiel speziell für das vor kurzem neu gestaltete Restaurant „Es Fum” im Luxushotel St. Regis Mardavall Mallorca einen Wandteppich geschaffen. Darüber hinaus hängen ihre Werke – allesamt in neutralen, natürlichen Farben – in Geschäften in Madrid, Ibiza oder London.
Ihre kreative Ader hat sie von ihren Eltern, dem französischen Maler Julien Meunié und ihrer Mutter, einer Tänzerin, geerbt. „Ich habe großes Glück gehabt”, erzählt die junge Frau. „Bei uns zu Hause war Zeit das größte Kapital. Für meine Eltern war es wichtig, ohne Zeitdruck und Stress zu leben und das Dasein zu genießen.”
Die Mallorquinerin hat in Barcelona Modedesign studiert und anschließend in Berlin mit verschiedenen Designern gearbeitet, bis sie, genervt vom Großstadtleben, schließlich auf ihre Heimatinsel zurückkehrte. Zwischendurch verbrachte sie einen Sommer lang in New Mexico in den USA, um dort bei einer indigenen Frau einen Web-Kurs zu absolvieren. Schließlich schätzt sie das Kunsthandwerk dieser Menschen über alles. „Ich habe meiner dortigen Lehrerin auch eine meiner Arbeiten gezeigt. Ich bin sicher, dass sie ihr nicht gefallen hat. Denn diese Naturvölker mit ihrer hoch entwickelten Kultur suchen die Harmonie, das Gleichgewicht”, berichtet Ariana Meunié. „Das, was ich aber kreiere, ist genau das Gegenteil.