Durch das dichte Laub der uralten Eichen dringt die Nachmittagssonne nur in in lanzenartigen Strahlen bis auf den Waldboden hinab. Im grünen Halbdunkel rauscht der Bach über die stufenartigen Steine, um dann wieder als klares Nass seine Bahn zwischen den Bäumen zu ziehen. Manche Stelle ist tief genug, um darin schwimmen zu können.
Kein Moped, kein Auto, kein Flugzeug, kein Radio, kein Geschwätz - einzig das Plätschern des Wassers und der Wind in den Zweigen der Baumriesen sind zu vernehmen. Die Stille in dem archaischen Hain hat etwas Heiligendes.
Wer hätte gedacht, dass es auf Mallorca eine solche Perle der Natur gibt? Flüsse und Bäche sind auf der Insel durchaus zu finden, doch meist nur wenige Stunden nach kraftvollen Regengüssen. Die sogenannten Torrents entwässern dann das Eiland von den Niederschlägen, um kurz darauf wieder trocken zu fallen. Der Torrent de Canyamel, ganz im Nordosten der Insel, soll an seinem Oberlauf jedoch das ganze Jahr über Wasser führen, auch wenn die Menge und die Fließgeschwindigkeit im Sommer abnehmen. Der lebensspendende Rohstoff hat im Gebiet der Finca Sa Farinera ein beeindruckens Feuchtgebiet geschaffen, das in seiner Opulenz und der überbordenden Vegetation an einen tropischen Mangrovenwald erinnert.
Verständlich also, dass die Anwohner in Sorge sind um dieses Kleinod der Natur. Denn das Feuchtgebiet, über das man wohlweislich kaum sprach, um es offenbar vor zu vielen Besuchern zu bewahren, ist in Gefahr: Eine neue Trasse von Elektroleitungen hin zur Gemeinde Capdepera könnte die Ruhe des Biotops empfindlich stören. Sieben Jahre lang verhandelten die Kommune und der Stromversorger Gesa/Endesa über eine bessere Versorgung des Dorfes mit Strom. Die unterirdische Verlegung der Kabel wurde nun aufgegeben, jetzt müssen Masten und Trafo-Stationen errichtet werden. Nach Bekanntwerden der Pläne schlugen Naturfreunde Alarm. In Zeitungsartikeln warnten sie vor der drohenden Zerstörung der bukolischen Idylle. Nur einen Tag später stellte Gesa/Endesa klar, dass der Energiekonzern die Naturschönheit bewahren möchte. Gesucht werden alternative Routen. Und ohne Umweltverträglichkeitsstudie werden die Arbeiten nicht beginnen.
Bleibt zu hoffen, dass Ökologie und Ökonomie sich in diesem Fall harmonisch unter einen Hut bringen lassen.