Seinem Unternehmen geht es gut. Während die deutsche Wirtschaft von der weltweiten Krise gebeutelt wird, schreibt OTTO positive Umsatzzahlen. Rainer Hillebrand ist Vorstandssprecher von OTTO, wie der frühere "Otto-Versand" heute kurz und knapp heißt. OTTO gehört zur "Otto Group" (siehe Kasten), deren stellvertretender Vorstandsvorsitzender Hillebrand auch ist. Gerade verbrachte der Top-Manager mit Frau und Sohn einige Tage im Robinson-Club Cala Serena. MM traf den 54-Jährigen zum Interview.
Mallorca Magazin: Herr Hillebrand, eines der beherrschenden
Themen in den deutschen Nachrichten ist in diesen Tagen die Frage,
ob die Wirtschaftskrise schon überwunden ist, wie einige positive
Entwicklungen schließen lassen. Wie sehen Sie die Lage?
Rainer Hillebrand: Es ist Deutschland strukturell besser gelungen
als anderen Ländern, mit einer gewissen Stabilität durch die
Finanz- und Wirtschaftskrise zu kommen, vor allem beim privaten
Konsum. Aber es ist meiner Meinung nach noch viel zu früh, die
Prognose zu wagen, dass die Krise überwunden ist.
MM: Als damals, im Herbst 2008, Lehman zusammengebrochen ist
und der Stein ins Rollen kam, war Ihnen da sofort bewusst, dass
jetzt eine gewaltige Krise kommt?
Hillebrand: Selbstverständlich, zumal es vorher schon Anzeichen
dafür gab. Wir haben im Vorstand daher auch sofort gemeinsam mit
einer Unternehmensberatung analysiert, was auf uns zukommen
könnte.
MM: Ihr Unternehmen war von der Krise nicht sehr stark
betroffen.
Hillebrand: Die Otto Group hat in den vergangenen Jahren auf den
internationalen Märkten durchaus Einbußen zu verzeichnen gehabt.
Aber bei der Einzelgesellschaft OTTO konnten wir auf eine sehr
starke Eigenkonjunktur bauen. Dies, nachdem wir viele Jahre lang
rückläufige Umsätze hinnehmen mussten - unter anderem weil das
Bestellen im Katalog an Attraktivität verloren hatte und mit dem
Online-Handel viele neue Mitbewerber dazu kamen. Der konsequente
Umbau Richtung Online-Handel hat dazu geführt, dass unsere Umsätze
in den letzten Jahren gestiegen sind, das hat aber natürlich auch
damit zu tun, dass ein Wettbewerber verschwunden ist.
MM: Sie meinen Quelle. Was unterscheidet OTTO von
Quelle?
Hillebrand: Wir reden nicht gerne über Wettbewerber, auch nicht
über solche, die es nicht mehr gibt. Schlüsse lassen sich
sicherlich aus den Stärken ziehen, die die Otto Group hat. Zum
einen handelt es sich nach wie vor um ein Familienunternehmen, Dr.
Michael Otto war bis vor ein paar Jahren sogar noch selbst im
operativen Geschäft tätig. Daraus ist eine Unternehmenskultur
entstanden, die auf Langfristigkeit und Konstanz setzt. Zudem haben
wir frühzeitig die Internationalisierung vorangetrieben. Last, but
not least ist die Diversifizierung wichtig, man darf sich nicht nur
auf einen Unternehmensbereich konzentrieren. Letztlich muss man
immer innovativ sein und neue Themen entwickeln.
MM: Sie haben schon angedeutet, dass der Katalogversand ein
gewisses Imageproblem hat. Ändert sich da etwas durch das
Internet?
Hillebrand: Selbstverständlich. Alle großen Katalogversender haben
mittlerweile ihre Online-Auftritte. Manche gekonnter, manche
weniger gut. Bestellen auf Distanz erlebt gerade eine
Renaissance.
MM: OTTO macht schon 60 Prozent seines Umsatzes übers
Internet. Ist das Netz eindeutig die Zukunft des
Versandhandels?
Hillebrand: An manchen Tagen sind es sogar über 70 Prozent des
Umsatzes. Ganz klar, das ist die Zukunft, da gibt es keinen
Zweifel. Wenn das Internet nicht schon existieren würde, müssten
wir es erfinden.
MM: Wird es dann eines Tages keinen dicken Katalog mehr
geben?
Hillebrand: Sagen wir es mal so: Den Anspruch, das gesamte
Sortiment mit rund 100.000 Artikelpositionen abzubilden, können wir
auf otto.de besser erfüllen. Aber es wird mit Sicherheit weiterhin
bedrucktes Papier geben. Wir geben pro Jahr über 70 Spezial- und
Themenkataloge heraus. Diese führen auch dazu, dass die Kunden ins
Internet gehen, auswählen oder bestellen. Die Vertriebskanäle
Katalog und Netz ergänzen sich.
MM: Ist denn der Distanzhandel via Internet auch die Zukunft
des Einzelhandels insgesamt?
Hillebrand: Absolut. Über viele Jahre kam der Anteil des
Distanzhandels am gesamten Einzelhandel in Deutschland nicht über
fünf Prozent hinaus, inzwischen macht er neun Prozent aus. Der
stationäre Handel wird sich nicht auflösen, aber die Wachstumsraten
finden im Internet statt. Das haben inzwischen alle Marktteilnehmer
erkannt.
MM: Wer auf Mallorca lebt und online bei Ihrem Unternehmen
ein interessantes Produkt entdeckt, der kann es sich nicht hierher
liefern lassen ...
Hillebrand: Noch nicht. Aber wir arbeiten an einer europaweiten
Logistiklösung.
MM: Wo ist das Problem?
Hillebrand: Die Lieferung ins Ausland ist extrem aufwändig, weil
Transport und Versandkosten sehr hoch sind. Wir glauben noch nicht,
dass dieses Thema wirklich relevant ist. Aber es wird an Bedeutung
zunehmen, daher arbeiten wir daran.
MM: Wie engagiert ist eigentlich die Otto Group in
Spanien?
Hillebrand: Wir haben hier eher kleinere Aktivitäten, sind mit
Bonprix vertreten, mit Venca und mit dem Finanzdienstleister
EOS.
MM: Warum so wenig?
Hillebrand: Das hängt mit dem Kaufverhalten zusammen. Der
Versandhandel spielt hier keine so große Rolle wie in England,
Deutschland oder Frankreich. Das kann sich möglicherweise durch das
Internet ändern, auch in Spanien wächst der E-Commerce.
MM: Wie würden Sie die spanische Wirtschaft insgesamt
beurteilen?
Hillebrand: Im europäischen Vergleich hat Spanien nach dem Ende des
Baubooms sicherlich besondere Probleme. Aber ich bin zu wenig
Kenner der spanischen Wirtschaft, als dass ich mir ein profundes
Urteil erlauben möchte.