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Die friedliche Invasion

Chinesen auf Mallorca

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Der Geruch nach Mottenkugeln schlägt den Kunden beim Betreten des Geschäftes entgegen, im Hintergrund läuft chinesische Schlagermusik vom Band, und es herrscht gähnende Leere zwischen den meterlangen Regalen im "Estrella de Oro". Den chinesischen Inhaber Yin Ming scheint das nicht zu stören, er sitzt an der Kasse und hält lange, unverständliche Dialoge in seiner Heimatsprache, während seine Frau einen Stapel Plastikeimer neu platziert.

Das "Estrella de Oro" ist nur eines von Hunderten chinesischen Geschäften in diesem Viertel, dem "barrio chino" von Palma, rund um den Markt Pere Garau. Wer hier durch die Straßen schlendert, sieht nur vereinzelt Ladenschilder mit spanischen Namen, die Gassen sind fest in chinesischer Hand. El Corte Chino, Fu Xiang, Qi Xin oder Fu Dong Lai heißen die Einzelhandelsgeschäfte, die überwiegend Bekleidung und Schuhe verkaufen, aber in großen Märkten auch die ganze Palette dessen, was man sich an nützlichen und weniger nützlichen Dingen des täglichen Lebens vorstellen kann.

Ob Gardinen, Fleckenlöser, Hamsterkäfig, Büstenhalter, Badelatschen, Perücken oder leere Aquarien, Häkeldecken, Mieder, elektronische Haushaltsgeräte oder aufgefädelte Deko-Kartoffeln aus Styropor - hier gibt es alles zu unschlagbaren Preisen, billig kann man in diesem Fall sagen, denn Qualität steht offensichtlich nicht an erster Stelle.

Doch die Chinesen können auch anders: Ketten wie Ikea, Zara oder Mango - um nur einige zu nennen - lassen fast ausschließlich in China fertigen. Glaubt man den Zahlen des Instituts für Außenhandel Icex (Instituo de Comercio Exterior), dann boomt der Handel mit Produkten aus der Volksrepublik. Auf Mallorca wird dies besonders deutlich. Der Import chinesischer Waren hat sich hier im Laufe der letzten zehn Jahre verzehnfacht. Allein im Oktober 2010 wurden auf die Insel doppelt so viele chinesische Produkte eingeführt wie im gesamten Jahr 2000.

Damit hat China die Deutschen als Importland überholt: Gut 32.000 Importgeschäfte mit dem fernöstlichen Giganten registrierte das balearische Handelsministerium von Januar bis Oktober 2010, mit einem Wert von 108 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 betrug der Warenwert gerade mal zehn Millionen Euro. Doch das ist laut Icex noch längst nicht alles. Waren, die aus China zunächst an einen Großhändler in Madrid und dann erst auf die Balearen geschickt werden, zählen laut Statistik nicht als direkter Import.

4029 Chinesen sind zurzeit auf den Balearen gemeldet, rund die Hälfte davon, so schätzt man bei der "Asociación de Empresarios Chinos en Baleares" seien selbstständige Unternehmer. Die Behörden bescheinigen den chinesischen Händlern, bis auf sehr wenige Ausnahmen, die korrekte Einhaltung der hiesigen Gesetze. "Sie halten sich an die Vorgaben, was spanisch sprechende Mitarbeiter oder Ladenöffnungszeiten angeht", heißt es aus der Pressestelle des zuständigen Ministeriums. Geschäfte unter 300 Quadratmeter hätten in letzterem Punkt freie Wahl.

Die Zahl der "Billigläden" ist laut dem Vorsitzenden des Verbands der chinesischen Unternehmer auf der Insel, Antonio Yoh, gestiegen. Besonders in den vergangenen zwei Jahren der Krise hätten viele seiner Landsleute günstige Ladenmieten und "Traspasos" genutzt, um sich mit ihren Bekleidungs-, Friseur- oder Schuhgeschäften in preiswerten Lagen wie dem Viertel Pere Garau einzunisten.

"Sie verkaufen Waren zu konkurrenzlosen Preisen, im vertikal integrierten Geschäft, das in der Fabrik in China beginnt und im Laden in Palma endet", erklärt Yoh. "Und sie arbeiten unermüdlich, nicht selten stehen sie zwölf Stunden pro Tag im Geschäft." In der Tat: Während viele spanische Geschäftsleute selbst in der Hochsaison im touristischen Zentrum Palmas zur besten Verkaufszeit mitten am Tag bis zu drei Stunden ihre Türen schließen, kennen Chinesen kein "cerrado por mediodía".

Hinzu kommen niedrige Löhne und eine künstlich billig gehaltene Währung, der Yuan, der preiswerte Warenbeschaffung ermöglicht. "Gegen diese Preise sind wir machtlos", sagt der Vorsitzende des mallorquinischen Einzelhandelsverbandes Pimeco, Bernat Coll. "Die asiatischen Produkte überschwemmen Europa und Spanien, und wir können nichts dagegen tun."

Feste Familienbande sind laut Antonio Yoh ein weiterer Grund für die Expansion in Krisenzeiten: "Wenn eine Bank keinen Kredit gewährt, springen häufig Verwandte ein." Dass die Verwandten auch in den Geschäften aushelfen, darin sieht der Inhaber des Restaurants "Gran Dragon" kein Problem.

In den Geschäften rund um den Markt Pere Garau – ebenso wie in vielen Restaurants der Asiaten – herrscht allerdings zurzeit trotzdem gähnende Leere. "Wir leiden ebenso unter der Krise wie alle anderen Händler auch", sagt Elena, seit zwei Jahren Inhaberin von "Moda Italy". "Nur weil wir Jeans für sechs Euro verkaufen, kommen nicht mehr Kunden zu uns als sonst." Wer vorher Markenware gekauft habe, tue dies weiterhin, vielleicht nur weniger als vorher. "Unsere Kunden hatten immer schon wenig Geld. Jetzt haben sie fast gar nichts mehr, das merken wir an unseren Umsätzen."

Die Behauptung des Pimeco-Vorsitzenden Bernat Coll, die Wirtschaftskrise würde den Umsatz der Billigläden auf Mallorca ankurbeln wie nie zuvor, können weder Elena noch die anderen Händler in dieser Gegend bestätigen. "Made in China" ist bei vielen eben nur dann gefragt, wenn es nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, weil Label wie Zara, Mango oder Ikea darauf stehen.

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