Kurz nach der Eröffnung der Jagdsaison auf Mallorca hat der Umweltverband GOB Eigentümer von Fincas auf dem Land aufgefordert, ihr Grundstück als Tierschutzgebiet ausweisen zu lassen. "Es gibt häufig Probleme zwischen Jägern und Fincabesitzern", sagt GOB-Mitarbeiter Toni Muñoz, "besonders wenn Grundstücke in Jagdrevieren liegen und die Besitzer die Jagd auf ihrem Grund nicht genehmigt haben." Das komme vor bei Ortsvereinen, deren Mitglieder selber keine Reviere besäßen. Nicht alle Jäger bereiteten Probleme, betont Muñoz, aber einige missachteten die Jagdgesetze, wilderten und verstößen gegen Sicherheitsvorschriften.
Eine Möglichkeit, sich zu schützen, sehe das balearische Jagdgesetz selbst vor, nämlich die Ausweisung zum Tierschutzgebiet ("refugio de fauna"). Darin sei jagen untersagt. "Das Grundstück muss mindestens zehn Hektar groß sein, um zum ,refugio de fauna' erklärt werden zu können. Daher schließen sich meist mehrere Nachbarn zusammen", sagt Muñoz. Die Entscheidung obliege dem Inselrat. Der GOB helfe bei der Beantragung und auch beim Verfassen des obligatorischen Jahresberichts an den Inselrat. Über 50 Tierschutzgebiete seien mit Unterstützung des GOB bislang ausgewiesen worden und jährlich kämen vier bis fünf weitere hinzu.
Die Initiative des GOB irritiert Mallorcas Jäger und stößt auf Kritik im Inselrat. "Wozu brauchen wir immer mehr Tierschutzgebiete? Die Jäger sind es, die den Wald pflegen und zwar zwölf Monate lang, um vier Monate darin zu jagen", empört sich auch der Präsident des balearischen Jagdverbands, Jaime Bonfill. Konflikte zwischen Anwohnern und Jägern seien seltene Einzelfälle und kein Grund, die Jagd zu unterbinden: "Wer sorgt dann für das Gleichgewicht unter den Arten?"
Der Leiter der Jagdabteilung im Inselrat, Joan Escalas, stimmt zu. Die Jagd trage zur Erhaltung des Waldes bei und werde vom Inselrat streng überwacht. Wer Probleme mit Jägern habe, solle sich an den Inselrat wenden: "Für Gemeindereviere gelten strikte Regeln und Verstöße werden streng geahndet." Wer nicht wolle, dass auf seinem Grundstück gejagt werde, solle die Ausweisung als Jagdreserve ("reserva de caza") beantragen. "Das geht unbürokratisch und ohne jegliche Auflagen", betont Escalas. Tierschutzgebiete dagegen seien mehr als jagdfreie Gebiete. Sie sollten biologischen, wissenschaftlichen oder Bildungszwecken dienen.
"Der Wald braucht keine Jäger. Sie bringen dem Ökosystem kaum Nutzen", meint Toni Muñoz vom GOB. Aber es gebe 25.000 Jäger mit Lizenz auf Mallorca, das sei eine mächtige Lobby. Jagdreserven sehe man lieber, weil sie Teil vom Revier blieben. "Der Jagdverein ist weiterhin für das Waldstück zuständig. Die Jäger können ein- und ausgehen. Ein Tierschutzgebiet dagegen trennt das Grundstück vom Revier ab. Es entstehen Löcher in Mallorcas Jagdgründen."
Seit zwei Jahren muss für Tierschutzgebiete eine jährliche Abgabe gezahlt werden, die achtmal höher ist als bei Jagdgebieten. Die Abgabe soll abschrecken, protestieren die Umweltschützer. "Wir wollen nur sicherstellen, dass die Tierschutzgebiete den vorhergesehenen Zwecken dienen. Wer die Vorgaben erfüllt, erhält einen Nachlass von 75 Prozent", entgegnet Joan Escalas vom Inselrat. Die "refugios de fauna" erfüllten die Vorgaben allein, weil sie nachweislich dem Artenschutz dienten, meint Muñoz.
"Übertriebener Umweltschutz ist absurd. Tiere würden verhungern, wenn wir die Arten nicht im Gleichgewicht halten würden". "Aber Drosseln mit Kohl esst ihr gerne! Lasst uns in Frieden" und: "Wir lassen uns nicht kriminalisieren", wetterten Jäger auf der Facebook-Seite des GOB. Besitzer von Fincas in oder an Jagdgebieten dagegen bestätigen die Umweltschützer.
"In der Jagdsaison kannst du kaum rausgehen, weil dir die Schusspatronen um die Ohren fliegen. Sie beachten die Mindestabstände nicht. Sogar auf meiner Terrasse landen Patronen", sagt eine deutsche Residentin im Südwesten. Früher seien es vier bis fünf Jäger gewesen, heute kämen um die 30, meint ihr mallorquinischer Nachbar. "Aber es sind keine Jäger mehr, sondern Schlächter. Sie kaufen Rebhühner, setzen sie aus und kommen nach drei Tagen, um sie zu erschießen. Die Tiere, die sie nicht treffen, verhungern, weil sie nicht an das Leben in der Natur gewöhnt sind." Er sei selbst Jäger, aber er würde sofort ein "refugio de fauna" beantragen, wenn die Nachbarn mitmachten. Nur hätten diese Angst vor der Reaktion der Jäger. Einmal seien vergiftete Knochen ausgelegt worden, an denen mehrere Hunde von Anwohnern starben.
Die Fincabesitzer, die ihr Grundstück zum "refugio de fauna" erklären ließen, bereuen den Schritt offenbar nicht. Auch sie möchten zur Sicherheit nicht namentlich genannt werden. "Die Vielfalt an Tieren und Vögeln, die wir jetzt im Wald haben, ist fantastisch", berichtet eine Mallorquinerin aus der Inselmitte. Seit über zehn Jahren bestehe ihr Tierschutzgebiet, meint eine Dame aus dem Nordosten. Inzwischen könne sie auch vom Aussterben bedrohte Arten bei sich beobachten. Kaninchenplagen oder ähnliche Probleme habe sie dagegen nie gehabt.
Es sei wunderbar, wieder in Frieden in der Natur zu leben, sagt eine deutsche Wahlmallorquinerin. Früher hätten überall in der Landschaft Patronenhülsen gelegen, an manchen Tagen sei in Herrgottsfrühe geschossen worden wie in einem Krieg, man habe die Tiere nicht mehr rauslassen können, Schafe und Brennholz seien geklaut worden: "Wenn jeder jagt, wie es sich gehört, bräuchten wir keine Tierschutzreservate."
(aus MM 34/2014)