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Mehr "Punkte der Hoffnung" im Meer notwendig

Unterwasser-Impressionen vom Balearenmeer. | Foto: Andreas Ahrens / Ultima Hora

| Mallorca |

Wenn es um den Zustand des Balearenmeers geht, ist man eher an negative Meldungen gewöhnt: Die Seegraswiesen gehen zurück, die Verschmutzung durch Plastik und Chemie nimmt zu, Arten sterben aus. Die Liste der Probleme wird immer länger.

Die berühmte amerikanische Meeresbiologin Sylvia Earle dagegen hat das Balearenmeer zu einem "Hope Spot", einem Punkt der Hoffnung, erklärt. "Damit sind Orte im Meer gemeint, die sich in einem tadellosen Zustand befinden. Es können aber auch schützenswerte Gebiete sein, die bereits beschädigt sind, aber zu Quellen der Erneuerung werden", sagte Dr. Earle im Rahmen einer Rede vor Verantwortlichen der Balearen-Regierung und des Inselrats mitte November in Costa d'en Blanes.

Seit mehr als fünfzig Jahren engagiert sich Sylvia Earle als Wissenschaftlerin, Publizistin und Aktivistin für die Erforschung und den Schutz der Weltmeere. Vor sechs Jahren gründete sie die Organisation "Mission Blue", deren Ziel die Einrichtung dieser sogenannten Hope Spots in den Ozeanen ist. Auf Einladung der Meeresschutzorganisation Ondine kam sie mit ihrem Team jetzt nach Mallorca.

Schutzzonen seien nicht nur sichere Orte für Pflanzen und Tiere, sondern trügen auch erheblich zur Erholung von umliegenden geschädigten Gebieten bei. "Schutzzonen funktionieren", betont die Veteranin der Meeresforschung. 50 Hope Spots gebe es bereits weltweit. "Wir haben zu lange angenommen, dass die Ressourcen der Meere unbegrenzt sind. Sie sind es nicht. Im Laufe meines Lebens habe ich gesehen, wie die Korallenriffe um die Hälfte und die großen Fischarten um 90 Prozent zurückgegangen sind." Die Bedeutung der Ozeane sei zu lange unterschätzt worden: "Die Meere liefern Wasser, Nahrung und Sauerstoff. Bei jedem Atemzug, den wir machen, sind wir mit dem Meer verbunden. Ohne Meer gibt es kein Leben." Die Welt befinde sich am größten Wendepunkt der Geschichte, mahnt Earle eindringlich: "Wenn wir so weitermachen wie bisher, zerstören wir die Natur und unser Leben in kurzer Zeit, aber noch ist Zeit zum handeln."

Das Balearenmeer befinde sich bei Weitem nicht in tadellosem Zustand, der Massentourismus und die modernen Fischereimethoden setzten sehr zu, aber es gebe Elemente der Hoffnung. Mit sieben marinen Schutzgebieten und einem Meeresnationalpark verfügten die Balearen über die meisten geschützten Meeresgebiete von ganz Spanien: "Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Engagement, aber es gibt noch viel zu tun", meinte sie zu den anwesenden Regierungsvertretern.

Vor ihrem Vortrag war die 80-Jährige im Gebiet von El Toro tauchen gegangen und begeistert zurückgekehrt: "Seegraswiesen, Zackenbarsche, Barakudas. Sie sind da. Dies ist ganz gewiss ein Punkt der Hoffnung, den es zu bewahren gilt. Feiern Sie das, was Sie bereits gerettet haben, und bauen Sie es immer mehr aus." Die Erklärung eines Gebiets zum Hope Spot sei eine Auszeichnung, die die betreffende Regierung und ihre Bewohner dazu anregen solle, sich für den weiteren Schutz ihrer Meeresregion aktiv einzusetzen.

"Wir hoffen, dass diese Deklaration von den Verantwortlichen in wirksame Maßnahmen umgesetzt wird und sie nicht zu politischen Zwecken missbraucht wird, um das Gegenteil, nämlich das Ausbleiben von Aktionen zu rechtfertigen", kommentiert Xavier Pastor von der Meeresschutzorganisation Oceana, die sich ebenfalls für einen Ausbau der marinen Schutzzonen im Balearenmeer einsetzt. Ohne Geld könne man wenig machen, entgegnet der Leiter der Abteilung für Meeresressourcen im balearischen Umweltministerium, Toni Grau. Die Krise sei weiterhin zu spüren. Gelder und Stellen seien gestrichen worden. "Es ist schon schwer genug für uns, die gegenwärtigen Schutzzonen zu erhalten."

Nicht nur die Regierung, sondern jeder Einzelne sei gefragt, betont Sylvia Earle. Das fange schon beim Essen an. "Wenn Sie weiterhin Fisch essen wollen, dann können Sie nicht weiter so viel davon konsumieren wie bisher." Der hohe Konsum habe zu destruktiven Fischereimethoden geführt, der Mensch könne das Meer nicht weiter so ausbeuten. "Wir sind in der Lage zu töten, aber sind wir auch in der Lage zu erhalten?" Das sei die entscheidende Frage.

ZUR PERSON

Sylvia Earle, geboren 1935 in New Jersey, USA, ist Meeresforscherin, Autorin und Umweltaktivistin. Die promovierte Meeresbiologin war Beraterin der NASA und wissenschaftliche Leiterin der amerikanischen Behörde für Ozeanographie und Atmosphärenkunde NOAA. Sie hat zwei Firmen zur Herstellung von technischen Geräten für die Unterwasserforschung gegründet und ist seit 1995 als Gastforscherin für die National Geographic Society tätig.

Mit Reden, wissenschaftlichen Publikationen und Büchern engagiert sie sich für den Schutz der Meere weltweit. Die passionierte Tiefseetaucherin hat über 60 Ozeanexpeditionen geleitet, dabei mehrmals bis zu zwei Wochen lang unter Wasser gelebt, und insgesamt mehr als 7000 Stunden mit Tauchgängen im Meer verbracht. Seit sie 1979 mit einem Tauchgang in 381 Meter Tiefe einen Weltrekord aufstellte, wird sie respektvoll „Her Deepness” („Ihre Tiefheit”) genannt. Earle hält auch den Weltrekord in Solo-Tauchen in einer Kapsel in einem Kilometer Tiefe.

Mehrere neu entdeckte Tier- und Pflanzenarten im Meer sind nach ihr benannt worden, darunter der Seeigel Diadema sylvie und die Alge Pilina earli. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehört der erste Preis der Innovationskonferenz TED im Jahr 2009. Er gab den Anstoß zur Gründung der Organisation „Mission Blue”, deren Ziel die Einrichtung von Wasserschutzgebieten, sogenannter „Hope Spots”, in den Weltmeeren ist. 50 Hope Spots sind bereits geschaffen worden. Der neueste ist das Balearenmeer. Sylvia Earle lebt in Oakland, Kalifornien.

(aus MM 46/2015)

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