Fischadler bei der Jagd zu beobachten macht Gänsehaut. Nur wenige Sekunden dauert ein Angriff. Sie jagen ausschließlich Fische, meist mittlerer Größe und nah an der Wasseroberfläche. In fast vertikalem Flug stürzen sie sich auf ihre Beute, packen sie blitzschnell mit ihren kräftigen Zehen und heben sich sofort wieder in die Höhe. Tief graben sich ihre langen Krallen in den Fang, während sie energisch mit den Flügeln schlagen.
Mallorcas Fischadler sind etwas Besonderes. Sie tragen Rucksäcke und haben Namen. Einige zumindest. Da gibt es etwa die Ingrid. Sie ist vor Kurzem aus Marokko eingeflogen, um den Sommer in der Tramuntana zu verbringen, wie jedes Jahr. Nur sechs Tage hat sie für die 1600 Kilometer lange Reise gebraucht. Das weiß man, weil in ihrem Rucksack ein Satellitenempfänger zum Aufzeichnen ihrer Flugbewegungen steckt. Ornithologen des balearischen Umweltverbands GOB brachten ihn vor ein paar Jahren an.
Ingrid ist der neunte Fischadler, den sie mit einem Rucksack ausgerüstet haben. Seit 2009 läuft das Programm. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung des Pandion haliaetus, so sein wissenschaftlicher Name, der auf den Balearen wie im gesamten Mittelmeerraum in seinem Bestand gefährdet ist.
"Wir wollen mehr über seine Flugbewegungen und die Nutzung seines Lebensraums erfahren, um Probleme erkennen und minimieren zu können", sagt Projektleiter Toni Muñoz.
Dabei lernten die Ornithologen zum Beispiel, dass sich nicht alle Fischadler das ganze Jahr über auf den Balearen aufhalten, wie man früher dachte. Vielmehr verhält es sich wie bei der menschlichen Inselbevölkerung. Einige leben immer hier. Andere kommen nur im Sommer, wie die Ingrid. Und manche machen es umgekehrt. Sie überwintern hier und fliegen zum Nisten nach Nordeuropa.
Beim Paarungsverhalten zeigen sich dann Unterschiede. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Greifvögel monogam. Allerdings tun sich die Partner immer nur zur Brut zusammen. Dabei beziehen sie stets dasselbe Nest. Das Weibchen legt zwei bis vier Eier, die es brütet, während das Männchen für Nahrung sorgt. Nach gut einem Monat schlüpfen die Küken, die dann nach knapp zwei Monaten den ersten Flug wagen. Sobald die Jungen sicher im Flug sind, trennt sich die Familie wieder.
"Fischadler gehören zu den Balearen", meint Toni Muñoz. Als Endglied in der Nahrungskette spielten sie eine wichtige Rolle für die marine Umwelt. Früher seien 50 Fischadlernester belegt gewesen. "In den 1980er Jahren waren es nur noch fünf." Schuld war die Jagd. In den 1950er und 1960er Jahren wurde der Greifvogel gezielt vernichtet. Spezialeinheiten waren darauf angesetzt, die Juntas de extinción de alimañas, Truppen zur Auslöschung von Ungeziefer und schädlichen Tieren. Sie erledigten alle Tiere, die von der Jägergemeinschaft nicht erwünscht waren, wie Luchse, Wölfe und Greifvögel.
Ende der 1980er Jahre beschloss die Balearen-Regierung ein Schutzprogramm für den Fischadler, das der GOB unterstützt. "Vögel sind in ihrer Entwicklung schwer zu kontrollieren. Wir können aber versuchen, die Umweltfaktoren so günstig wie möglich zu gestalten", sagt Rafel Enric Mas vom balearischen Amt für Artenschutz.
Die Jagd ist seither strikt verboten. Allerdings kommt es immer noch zu Zwischenfällen. Erst vor wenigen Wochen wurde am Flughafen von Palma ein erschossener Fischadler gefunden. Strommasten wurden und werden vogelsicher gemacht. "Vor allem für Fischadler stellen sie eine tödliche Gefahr dar, denn sie lieben es, sich auf hohe Punkte zu setzen und ihre Umgebung von oben zu beobachten", sagt Muñoz. Schutzräume wurden eingerichtet, alte Nester wieder hergestellt und neue eingerichtet. Zur Überwachung werden jedes Jahr Jungvögel mit Ringen markiert.
Das Fischadler-Programm gehört zu den Erfolgsgeschichten im balearischen Artenschutz. Heute nisten hier wieder 23 Pärchen: 15 auf Mallorca, drei auf Menorca und fünf auf Cabrera. Das Ziel seien gut 30 Nistpärchen und die Wiedereinführung auch auf Ibiza, sagt Mas.
(gekürzt aus MM 14/2017)