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Mallorcas Mühlen mahlen langsam

Restaurierte Mühle im Pla de Sant Jordi. | Archiv

| Palma, Mallorca |

Fährt man dieser Tage durch die Feuchtebene am Insel-Flughafen, ist man wie schon in den vergangenen Jahrzehnten schnell bedrückt. Bei trübem November-Licht ragen überall verrottete Wassermühlen wie verdorrte Arme hervor. Es ist mitunter so, als würde man durch eine Landschaft gondeln, die einem Herr-der-Ringe-Film alle Ehre machen würde. Vom Zahn der Zeit zerstört sind die Windräder, viele dazugehörende Gebäude sehen so aus, als würden sie innerhalb von wenigen Minuten einstürzen, wenn man sie nur sachte mit dem kleinen Finger berührt.

Doch das weiterhin traurig machende Elend der Mühlen von Sant Jordi ist nicht die ganze Wahrheit. Denn langsam aber sicher tut sich etwas in jenem flachen Areal, wo nicht weniger als 1070 Mühlen stehen. Man sieht sie als Erstes, wenn man sich Mallorca im Flugzeug nähert.

Dass Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist, liegt am forcierten Engagement des Inselrats. Bis 2019 hat er nicht weniger als 1,4 Millionen Euro für die Restaurierung von Exemplaren freigegeben. Besitzer können dieses Geld in Anspruch nehmen, um die imposanten Bauwerke auf Vordermann zu bringen. Für 2018 hatte sich der Inselrat vorgenommen, 17 Sant-Jordi-Mühlen mit einem Gesamtvolumen von 110.000 Euro zu restaurieren. Dessen Chef Miquel Ensenyat von der linksregionalistischen Més-Partei gilt als treibende Kraft bei der Angelegenheit.

Zu den wenigen bereits hergerichteten Mühlen gehören die beiden aus den Jahren 1920 und 1947 stammenden Exemplare von Can Morey. Sie wurden im diesjährigen August zur bereits seit geraumer Zeit existierenden mallorquinischen Mühlenroute hinzugefügt, nachdem der Besitzer 3000 bereitgestellte Euro verwendet hatte. Eine weitere ins Auge stechende Mühle war bereits im Jahr 2016 auf einem Kreisverkehr in Palmas auch bei Deutschen beliebten Küstenviertel El Molinar restauriert worden.

Dass in der Ebene von Sant Jordi ehedem wie von Sinnen so viele Mühlen gebaut wurden, lag an der Notwendigkeit, diese damals durch und durch malariaverseuchte Ecke trockenzulegen. Die spanische Regierung wollte zum einen den Millionen Mücken ein für alle Mal den Garaus machen, die dort hausten und den tückischen Erreger übertrugen. Man beabsichtigte aber auch aus einem anderen Grund, den Wasserspiegel zu senken: Es sollte schleunigst Ackerland geschaffen werden, zumal viele Menschen hungerten.

Die technischen Raffinessen zu dem Plan stammten nicht von der Insel selbst, sondern von weit draußen. Der holländische Ingenieur Paul Bouvy Scharenberg und der französische Geologe Paul Vernière boten die Konstruktionen samt einem durch und durch ausgeklügelten Kanalisationssystem zur Entwässerung an. Jeden der Türme versahen sie mit einem gemauerten Speicherbecken. Die Mühlen von Sant Jordi sind auch ein Denkmal für eine frühe europäische Zusammenarbeit.

Am 25. Februar 1847 nahmen die ersten Pumpen ihren Betrieb auf, weitere folgten und bald schon konnten auf den Flächen unter anderem Gemüse und Weizen gedeihen. Später dienten die Mühlen der gezielten Bewässerung. Die Reste, die heute von dem riesigen Feuchtgebiet übrig sind, findet man in der Gegend von Ses Fontanelles.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen die Windräder vom Pla de Sant Jordi zu verrotten. Grund war der allmähliche Niedergang der Landwirtschaft, der mit der Hinwendung zum Tourismus einherging. Und nun? Es wird wohl noch viel Zeit vergehen, bis die auffallend glatte Ebene Sant Jordi nur annähernd so aussehen wird wie im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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