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Dauerstreit um einen Drachenhelm

Das Standartenfest erinnert an den siegreichen Einzug von Jaume I. in Palma. Aus diesem Anlass wird eine Kopie des Drachenhelms gezeigt. | JOSEP MARIA AGUIL

| Palma |

Schon beinahe 90 Jahre streitet sich Mallorca mit der spanischen Hauptstadt um die Rückgabe eines königlichen Artefakts, das direkt aus der apokalyptischen Welt eines Hieronymus Bosch, oder – um es zeitgenössischer zu formulieren – einem Fantasy-Comic entsprungen sein könnte. Es geht um den Helm von Martin I., genannt der Humane, von 1396 bis 1410 König von Aragón und Gründer des Kartäuserklosters in Valldemossa, eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Mittelmeerinsel. Dekoriert ist der goldene Kopfschutz mit einem geflügelten Drachen.

Der Kopf mit dem geöffneten Maul scheint zum Zubeißen bereit. Auch die zum Flug ausgestreckten Flügel wirken bedrohlich. Der Ursprung dieses unheimlichen Wesens ist vermutlich die „Vibra”, ein mythologischer Drache, der einst die Krone von Peter dem Zeremoniellen (1319 – 1387) zierte und dessen Darstellung sich im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr an eine Fledermaus anglich. Das Fledertier wurde später auch ins Stadtwappen von Palma und zeitweise sogar in das Wappen des Fußballclubs Real Mallorca aufgenommen.

„Obwohl er ihn wohl nicht selbst getragen hat, wurde der Drachenhelm zu einer Insignie und einem Machtsymbol von Erobererkönig Jaume I.”, sagt Inselhistoriker Gaspar Valero Martí. Jaume I. hatte die Insel von den Mauren befreit und war 1229 in einem Triumphzug in Palma einmarschiert. Seit 1407 wurde die goldene Kopfbedeckung, die wahrscheinlich seinem Nachfolger Martin, dem Humanen, gehörte, sowie die Fahne mit dem Wappen Mallorcas beim Standartenfest präsentiert, das bis heute am 31. Dezember an die Vertreibung der Mauren erinnert. So weit, so gut. Bis sich 1831 die spanische Monarchie einmischte und sich den Helm und andere Artefakte der mallorquinischen Könige, darunter auch das Schwert von Jaume I., unter den Nagel riss und in die königliche Waffenkammer nach Madrid brachte. Seitdem musste das Standartenfest mit Kopien dieser Objekte auskommen.

Palma bemühte sich bereits in den 30er Jahren um die Rückgabe des royalen Helms. Das legen bislang unveröffentlichte Dokumente nahe, die im Castell de Bellver entdeckt wurden und von denen kürzlich die MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” berichtete. Der spätere Bürgermeister Emili Darder forderte Madrid 1932 eindringlich dazu auf, Waffen und Reitgeschirr der ehemaligen Inselmonarchen zurückzugeben, da sie „wegen ihrer historischen Bedeutung für uns Mallorquiner von größtem Interesse sind”. Darders Schreiben wanderte durch die Instanzen, aber nur um am 13. März 1933 abschlägig beschieden zu werden. Zur Begründung hieß es, dass eine Rückgabe „den in der Waffenkammer ausgestellten historischen Reichtum beeinträchtigen würde”.

Palmas ehemaliger Bürgermeister Antoni Noguera wusste von diesem Scheitern nichts, als er im April dieses Jahres einen erneuten Versuch startete. Doch obwohl siebzehn Einrichtungen – von der Archäologischen Gesellschaft Lul·liana, dem Kulturinstitut der Balearen bis hin zum Verband der Anwohnervereinigungen – seine Forderung unterstützten – wurde eine Rückgabe erneut abgelehnt. Die Regierung könne während dieser Amtszeit keine Entscheidung mehr treffen, lautete die wenig argumentationskräftige Begründung.

Und so geht diese unendliche Geschichte in eine neuerliche Runde und den Insulanern bleibt, wie in den Vorjahren auch, keine andere Möglichkeit, als am 31. Dezember wieder nur eine Helmkopie zu bestaunen. (aus MM 52/2019)

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