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Wenn die Wachtel ruft

Àngel García und Maria Muñoz von der Abteilung „Jagd” des Inselrats lauschen am Rande des Ackers auf den Wachtelruf. | dk

| Mallorca, Balearen |

Das Korn steht hoch. Die beiden Wildhüter Àngel García und Maria Muñoz stehen am Rand eines Weizenfeldes hinter San Joan im Pla, der Ebene der Inselmitte. Die Sonne gewinnt an Kraft, die Grillen zirpen. Im Hintergrund bellt ein Hund, Verkehr rauscht sanft vorbei.

Doch Angel García und Maria Muñoz von der Abteilung „Jagd“ des Inselrats möchten gerne ein anderes Geräusch hören. Seit sechs Uhr morgens sind sie unterwegs, um den Wachtelschlag, den Gesang der Wildwachtel (Coturnix coturnix), zu erhaschen.

Die kleinste Huhnart Europas wiegt um die 90 bis 100 Gramm und passt in eine Erwachsenenhand. Sie brütet zwischen Mai und Juni auf Mallorca. Der Zugvogel, der von Nordafrika kommt, ist extrem gut getarnt und ein Bodentier. Nur leichtes Rascheln des Getreides kann auf eine Wachtel hindeuten, die sich bewegt. Sie nisten ausschließlich auf Agrarland, Weizen-, Gersten- oder Roggenfeldern, dort sind sie geschützt und finden im Idealfall reichlich Larven, Würmer und Insekten, denn die frisch geschlüpften Küken haben hungrige Mäulchen, die in den ersten Tagen immens viel Nahrung brauchen.

Der Begriff „Abteilung Jagd” mag irreführend erscheinen. Das Team kümmert sich vor allem um Wildbestände, sorgt für Artenschutz und „stellt” auch den ein oder anderen Jäger, der sich nicht an die Regeln hält. Wildhüter Àngel und Biologin Maria arbeiten im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Barcelona und haben sich auf die Wachtel spezialisiert.

„Zuerst lauschen wir, ob wir einen spontanen Lockruf hören“, erklärt Àngel. „Das Ergebnis notieren wir. Gibt es kein spontanes Singen, benutzen wir ein Hilfsgerät, das nur für 
uns und die Forschung erlaubt ist.” Auf die Frage, wie der Wachtelruf klinge, spitzt Angel die Lippen und imitiert gekonnt das Pfeifen.

Die beiden lauschen routiniert weiter. Kein Wachtelruf weit und breit. Àngel holt das kleine tarnfarbene Gerät aus seiner Hosentasche. Er schaltet es ein: Der Wachtelschlag tönt laut und kräftig über das Feld. „Das Geräusch imitiert den Lockruf des Weibchens“, erklärt er. Für Jäger ist es aber strengstens verboten, da es in die normale Jagd eingreift und vor allem die jungen, kräftigen Tiere anlockt. Die Jagd soll aber auch dazu dienen, kranke und gebrechliche Tiere zu „erlösen“. Auf Mallorca ist die Wachteljagd in bestimmtem Rahmen, im Gegensatz zu Deutschland, noch erlaubt. „Früher durfte jeder Jäger während der zugelassenen Jagdphase zwölf Wachteln pro Tag erlegen, heute sind es sechs.“

Die Jagdzeit ist ebenfalls streng reglementiert. Während der Brut- und Schonzeit ist es streng verboten zu jagen – das gilt für jegliche Tierart. Wachteljagd ist ab dem 15. August erlaubt – bis zum Zeitpunkt der Rückmigration in den warmen Süden im September. Auch darf nur an zwei Tagen pro Woche gejagt werden, Donnerstag und Sonntag. Àngel García und Maria Muñoz erfassen die Tiere, um Tendenzen der Bestände herauszufinden, denn der Lebensraum der Wachtel schwindet. In der Landwirtschaft werden immer schneller wachsende Getreidesorten angebaut, die früher abgemäht werden – die Wachtel hat somit weniger Zeit, die Jungen im Nest aufzuziehen. Freilaufende Hunde, die die Nester aufspüren und zerstören, auch wilde Katzen, die die Eier fressen, bedrohen den kleinen Vogel ebenfalls.

Die beiden Wachtelexperten fahren zum nächsten Observierungsfeld, wenige Kilometer weiter. Dieser Acker ist stärker abgemäht, hier kann man die Wachteln besser mit dem Netz, das Àngel und Maria benutzen, einfangen. Die beiden kauern sich auf die Erde an den Rand des Feldes, setzen sogar ihre Sonnenbrillen ab, denn das Spiegeln des Lichts in den Gläsern kann die Tiere bereits ablenken. Mit ihren dunkelgrünen Hosen und beigen T-Shirts verschmelzen sie fast nahtlos mit der Umgebung.

Ihre Arbeit erfordert viel Geduld. „Bis zu 20 Minuten liegen wir mucksmäuschenstill auf der Erde, bis sich eine Wachtel nähert.” Erst wenn der Vogel schön mittig unter dem Netz ist, können die beiden zugreifen und mit der Hand das Netz über dem Vogel zusammenschlagen. „Die sind flink, die Viecher“, sagt Maria.

Haben sie ein Vögelchen gefangen, wird es zur kleinen mobilen Forschungsstation in ihrem Wagen gebracht und gewogen. Umfangmaße, Farbnuancen des Federkleids, Flügel- und Beinlänge – alles wird genau notiert. Mit einer winzigen Nadel wird ein wenig Blut entnommen. Die Blutprobe dient dazu, die genaue Spezies herauszufinden, gibt Aufschluss, ob es zu einer Vermischung mit einer gezüchteten Wachtel kam. Die Flügelgröße sagt aus, ob es Migrationsvögel von langer oder kürzerer Distanz sind – je länger die Flügel, desto weiter der Flug. Am Ende werden sie noch beringt, was der Forschung dient.

Das Ganze machen sie seit vier Jahren, bisher ist die Datenlage noch relativ gering, wächst aber ständig. Die Erhebung von beringten Vögeln ist ein weltweiter Vorgang. Die spanische Vogelschutzorganisation SEO Bird Life bündelt diese weltweiten Daten

Sind die Jungen flügge und beginnen die Tage kürzer zu werden, orientieren sich die kleinen Wachteln wieder Richtung Süden. Dann recken sie ihre Schnäbel in die Luft und „checken“ die Winde. Für ihren langen Flug nach Süden brauchen sie Rückenwind, von Norden kommender Wind, der sie anschiebt. „Man vermutet es nicht, weil die Wachtel zur Gruppe der Hühner gehört, aber sie sind gute Flieger. Eine beringte Wachtel wurde einmal in Italien aufgegriffen, nachdem sie am Tag davor in Spanien gestartet war“, erzählt Àngel.

Zwei Jahre leben Wachteln in der Regel. Zwei Sommer auf Mallorca, um sich fortzupflanzen. Und um von Àngel und seinem Team unter die „Fittiche“ genommen zu werden.

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