Auf alten Schwarz-Weiß-Fotos ist zu sehen, wie idyllisch es früher an Palmas kleiner Bucht Can Barbara zuging: Wellen kräuseln sich vor blütenweißen Häusern, Menschen baden, Umkleidekabinen stechen ins Auge, braungebrannte Mannsbilder blicken kernig in die Ferne. Direkt am Meer ist ein Strandbereich des schon vor mehr als einem halben Jahrhundert existierenden Hotels Majorica zu sehen, darüber das Haupthaus. Wenn noch eine Delfinflosse aus dem Wasser ragen würde, wäre die traumhafte Mittelmeer-Küstenlandschaft komplett.
Doch das Idyll gehört einer lange zurückliegenden, in Ehren verblichenen Epoche an. Es war eine Zeit, als hier noch der Blick aufs offene Meer möglich war. Die Playa de Palma war schwer erreichbar und gefühlt ewig weit entfernt, die Städter vor allem aus den Vierteln Son Armadans und El Terreno zogen es vor, sich hier und an benachbarten Badestellen wie Aigua Dolç – derzeit ein schmuddeliger Bereich nahe der famosen Titos-Disco – in die Fluten zu stürzen.
Heutzutage gibt es die Bucht zwar weiterhin, doch schon seit Jahrzehnten versperrt die immer breiter gewordene Uferstraße Paseo Marítimo die Aussicht. Zwar liegen hier weiter kleine Boote und geben dem Ganzen einen südlich-authentischen Touch, doch Wellen gibt es hier nicht mehr. Vor dem Hotel Majorica stehen diverse Apartmentblocks.
Die Abschnürung der Traumbucht begann in den 40er Jahren. Damals ließ der Ingenieur Gabriel Roca (1896-1986) den Hafen Zug um Zug ausbauen. Schon die mit der Festung San Carlos verbundene Westmole Dic de l’Oest verhinderte dann, dass die Wellen stimmungsvoll an die Felsküste klatschen konnten. Und dann kam im damals immer modernisierungswütigeren Spanien des Diktators Francisco Franco die Idee auf, einen großen Uferboulevard zu konstruieren. Auch dafür zeichnete Gabriel Roca verantwortlich, der sich in den 1950er Jahren als Chef der Vereinigung „Fomento de Turismo” auch auf die Fahnen schrieb, mehr Urlauber auf die Insel zu locken.
Abschnittsweise wurde der Paseo Marítimo gebaut, zunächst als schmales zweispuriges Band für die noch wenigen Autos, später als sechsspurige Avenida. Irgendwann wurde die Can-Barbara-Bucht dann völlig abgeschnürt. Heute handelt es sich um ein Areal mit brackigem Wasser, in das im östlichen Bereich ein Sturzbach namens Torrent des Mal Pas mündet. Unweit davon befinden sich hinter einem Zaum Festungsmauern. Im westlichen Bereich führt eine sich in immer schlechterem Zustand befindliche Treppe von der Joan-Miró-Straße herunter. Die durchaus ansehnlichen Restaurants und die hippe Nachtbar Garito sind momentan coronabedingt geschlossen.
Wer an der Barbara-Bucht auf und abgeht, fühlt sich dem Meer nicht nahe, sondern irgendwie abgekapselt in einem zwar vorzeigbaren, aber der Seele beraubten Umfeld. Aus der unverfälschten Mittelmeer-Idylle wurde durch Eingriffe des Menschen etwas völlig anderes.