Das Gefährt, das Matthias Helm hinter seinem E-Fahrrad herzieht, ist gerade einmal 1,75 Meter lang, 1,25 Meter hoch und 60 Zentimeter breit. Der Fahrradwohnwagen besteht vornehmlich aus Aluminiumstreben und Hohlkammerplatten, die normalerweise in Gewächshäusern verbaut werden. "Ich wollte das Gewicht so gering wie möglich halten", erklärt der 42-Jährige und ergänzt, "Schließlich muss ich mein Häuschen auf zwei Rädern fast ausschließlich mit Muskelkraft fortbewegen."
Im Juni 2022 startet der Heilpraktiker für Psychotherapie und Ergotherapeut in Leipzig seine Europatour. "Ich habe einige Monate vorher mit der Planung und dem Bau des Wohnwagens angefangen." Das Model, das er jetzt an der Deichsel hängen habe, sei schon die zweite Unterkunft, die er mit eigenen Händen gebaut habe. "Mein erster Prototyp hat die 400 Kilometer lange Testfahrt von Leipzig nach Bremerhaven im Frühling leider nicht überlebt." Er habe die Lastverteilung so falsch kalkuliert, dass ihm ungefähr 100 Kilometer vor seinem Ziel die Steckachse gebrochen sei. "Dabei hat es mir die Deichsel verbogen, die Achse ist zusätzlich noch in mein Hinterrad gekracht und hat mir die Bremsscheibe zerschmettert und fünf Speichen herausgebrochen." Das Projekt sei für den Tüftler eine Lernkurve gewesen, die schließlich im Beginn einer Reise quer durch Europa gipfelte.
Helm kündigt sein Beschäftigungsverhältnis, löst seine Wohnung auf, nimmt sein Erspartes und macht sich mit seiner neuen Konstruktion auf den Weg, Europa mit viel Muskelkraft zu erkunden. Der erste Stopp ist Holland, von dort aus geht es weiter Richtung Belgien, Frankreich und schließlich nach Spanien. "Es ist unglaublich, wie viele tolle und interessante Menschen ich auf den bisher knapp 2000 Kilometern kennengelernt habe. Ich habe so oft Hilfe von wildfremden Menschen bekommen, wenn ich ein Problem hatte. Immer wieder habe ich Leute kennengelernt, die mich dazu eingeladen haben, auf ihrem Grundstück zu übernachten." Es seien 98 Prozent positive Erfahrungen gewesen, die er auf der bisherigen Strecke gemacht habe. "Einmal hat mich ein Motorradpolizist in Frankreich auf einem steilen Bergstück überholt und komisch angeschaut. Wenige Kilometer später hat er mich dann angehalten, aber nicht etwa, um mich zu kontrollieren, sondern um ein Selfie mit mir zu machen." Matthias Helm dokumentiert seine Reise auf der Videoplattform YouTube (FaWo Europa), um alle Interessierten an seinen Abenteuern teilhaben zu lassen.
Im September setzt der gebürtige Wuppertaler schließlich mit der Fähre von Barcelona nach Mallorca über. "Geplant waren zwei Wochen Aufenthalt hier auf der Insel. Jetzt bin ich schon fast zwei Monate in diesem Paradies", lacht der Minimalist. Die Insel und ihre Energie hier wären einfach ganz besonders und deshalb sei es für ihn auch nicht ausgeschlossen, nach seinen Reisen hier her zurückzukehren und für eine unbestimmte Zeit auf Mallorca zu leben. Generell sei Zeit der Rohstoff, mit dem er auf keinen Fall geizen wolle. "Ich möchte die Erfahrung auskosten und habe deshalb keinen detaillierten Plan, wann ich wo sein muss. Ich denke, das würde mir sonst auch ein bisschen die Freude an dieser Tour nehmen."
Ursprünglich sei die Idee gewesen, nach zirka zwei Jahren an der Straße von Gibraltar anzukommen, aber auch dieses Ziel sei mittlerweile nicht mehr in Stein gemeißelt, und zwar hauptsächlich, weil er sein neues Leben nicht mehr so schnell aufgeben wolle. "Ich bin mit 20.000 Euro Ersparnissen losgefahren und habe im Schnitt monatliche Ausgaben von 400 Euro. Das heißt, ich komme schon noch eine Weile hin damit. Außerdem möchte ich hin und wieder auch ein bisschen arbeiten, wenn sich die Gelegenheit bietet." Es sei der Minimalismus und das damit einhergehende Gefühl von Leichtigkeit, das es ihm angetan habe. "Ich besitze grob über den Daumen gepeilt 30 Gegenstände und ganz ehrlich, ich vermisse überhaupt nichts." Wenn dieser Artikel erscheint, hat Matthias Helm Mallorca bereits wieder verlassen. Sein 100 Kilo schwerer „FaWo” und er erkunden dann die Nachbarinsel Ibiza und auch wenn er ursprünglich nur eine Europatour habe machen wollen, denke er bereits jetzt darüber nach, auf einem Schiff anzuheuern und nach Südamerika überzusetzen. "Ich lasse das alles einfach passieren und wir werden sehen, wohin mich die Pedale tragen."