Als sich im Frühjahr 2017 im Torrent de Pareis wochenlang der Müll häufte, da hatte das Symbolcharakter. Der Streit zwischen Gemeinde und Balearen-Regierung, der dazu geführt hatte, dass sich niemand mehr um die Abfallentsorgung in der jährlich von abertausenden Urlaubern besuchten Schlucht kümmerte, verbildlichte das Kompetenzgerangel, an dem vieles krankt im Tramuntanagebirge. Allzu häufig ziehen Gemeinden, Inselrat und Balearen-Regierung nicht an einem Strang.
Auch zwölf Jahre nachdem die Unesco die Tramuntana in die Liste der Welterbestätten aufgenommen hatte, liegt dort folglich vieles im Argen. Zuletzt waren es vor allem die Bilder überfüllter Aussichtsplattformen und langer Staus auf der Formentor-Halbinsel, sowie die immer wiederkehrenden Klagen von Anwohnern über den Verkehrslärm rasender Motorradfahrer, die offenbarten, dass es neuer Regeln bedarf, um die Nutzung von Mallorcas Gebirge zu ordnen und an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
In der Tramuntana befinden sich eine ganze Reihe der meistbesuchten Attraktionen Mallorcas. Valldemossa und Deià etwa stehen bei vielen Urlaubern ganz oben auf der Liste, ebenso wie Sa Calobra, Lluc, das wichtigste Heiligtum der Insel, der Torrent de Pareis, das Castell von Alaró, die Stauseen Cúber und Gorg Blau, das Orangental von Sóller oder auch der durchlöcherte Felsen von Sa Foradada.
Der große Urlauberandrang aber ist längst nicht das einzige Problem, mit dem die Gemeinden und die Menschen, die dort leben, alltäglich zu kämpfen haben. Seit vielen Jahren schon befindet sich Mallorcas Gebirgsregion in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Die traditionelle Nutzung der Landgüter gehört längst der Vergangenheit an. Wälder, Olivenplantagen und Ackerflächen liegen brach, weil sie nicht mehr rentabel zu bewirtschaften sind. Dadurch steigt unter anderem die Waldbrandgefahr. Statt Jägern, Köhlern und Kalkmachern streifen Ausflügler durch die Berge.
All dem soll nun das neue Tramuntana-Gesetz des Inselrats Rechnung tragen, das sich derzeit in der Phase der öffentlichen Auslegung befindet. In 87 Artikeln werden die unterschiedlichsten Themen behandelt: Raumordnung, Landschafts- und Denkmalschutz, wirtschaftliche Entwicklung, Baupolitik, Verkehr, Umwelt und Landwirtschaft. Hier eine Auswahl der geplanten Neuregelungen: Künftig dürfen Olivenbäume mit einem gewissen Stammumfang nicht mehr gehandelt werden. Die Zahl der Autorennen wird begrenzt, die Gestaltung der Straßenschilder vereinheitlicht. Die Terrassengärten stehen unter Schutz, der Inselrat verpflichtet sich, gegen die Lichtverschmutzung vorzugehen. Zudem kann künftig der Zugang zu bestimmten Gegenden des Gebirges limitiert werden.
Ein seit mehreren Jahren angekündigtes und von vielen mit Spannung erwartetes Vorhaben ist die Einführung eines Herkunftssiegels, das unter anderem landwirtschaftliche Erzeugnisse und weiterverarbeitete Produkte aus der Serra de Tramuntana kennzeichnen soll. Das Ziel ist, so die Absatzmöglichkeiten zu verbessern. Mehr als 400 Landwirte und Produzenten haben bereits die Vereinbarung unterzeichnet, die Voraussetzung für die Nutzung des Siegels ist.
Zuletzt kam nun jedoch vor allem Kritik auf an dem Gesetzesvorhaben. So meldete sich etwa der Internationale Rat für Denkmalpflege ICOMOS zu Wort, der die Unesco berät. Der Mallorquiner Tomeu Deyà ist Mitglied des spanischen ICOMOS-Nationalkomitees. Er war viele Jahre lang Geschäftsführer des Tourismusförderungsverbandes Foment de Turisme. „Wir sind für die angemessene touristische Nutzung der Welterbestätten”, sagt er. „Diese sollen von allen besucht werden können.” Dabei müsse aber stets ihre Bewahrung im Vordergrund stehen. „Das Problem ist meist nicht, dass wir es bei Welterbestätten mit nicht angemessenen touristischen Strategien zu tun haben, sondern dass eine solche überhaupt nicht vorhanden ist.” Das ist in diesem Fall nicht anders: Ein eigener Abschnitt zum Thema Tourismus fehlt im Tramuntana-Gesetz völlig.
Joe Holles wiederum ist Präsident der Vereinigung Tramuntana XXI, die sich für die Bewahrung des Gebirges einsetzt und die Schaffung eines umfassenden Tramuntana-Gesetzes angeregt hatte. Auch er spart nicht mit Kritik. „Das Gesetz ist ein Desaster”, sagt er. „Eines der Hauptprobleme in der Tramuntana ist das bestehende Chaos der Kompetenzen.” Dieses erschwere jegliche Initiative. Der Inselrat habe nun ein Gesetz vorgelegt, das ohne Abstimmung mit den anderen Verwaltungsebenen im Hinterzimmer ausgearbeitet wurde. „Das Gesetz bestätigt nur, was da im Argen liegt”, sagt Holles. „Es ist eine verpasste Chance.”