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Keine Wow-Meile, aber schwer im Kommen

Auch im Winter kann man sich auf der Blanquerna draußen an Tische setzen. | Patricia Lozano

| Palma, Mallorca |

Es ist nicht die Königs-Allee, es ist auch nicht der Boulevard Borne, aber ein Hauch von gehobener Atmosphäre wabert inzwischen durchaus über den ersten 200 bis 300 Metern von Palmas Blanquerna-Fußgängerzone, wenn man diese vom Innenstadtring Avenidas aus betritt. Ging es hier früher eher erdverbunden zu, so häufen sich mittlerweile höherpreisige Speiselokalitäten wie das Italo-Restaurant Santa Chiara oder das gegenüber befindliche Café Sibilla. Hier zahlt man deutlich mehr Geld als woanders in der Stadt, bekommt aber auch blitzsauberes Gestühl und ein hell-aufgelockertes Design geboten, was heute ja so schwer in Mode ist.

Kein Wunder, dass man hier ganz in der Nähe des Retro-Kinos Rivoli inzwischen gehäuft gestylte, blonde Zeitgenossen aus Mitteleuropa zu Gesicht bekommt, die sich in gediegenen Zwirn gehüllt an Tische dort setzen. Die ein oder andere Givenchy-Handtasche sticht ebenfalls ins Auge. Den Eindruck eines auffällig aufgemöbelten Abschnitts dieser Straße vervollständigen die Edelburger-Restaurants Fosters Hollywood und Raimundo, wo man nach US-Manier den Tisch zugewiesen bekommt. Anders als bei McDonalds muss man hier gut das doppelte oder mehr für einen Burger auf den Tisch legen, fühlt sich aber nicht deplatziert wie unter krakeelenden Schülern im Schnellrestaurant. Abgerundet wird der Straßen-Abschnitt der im Jahr 2009 geschaffenen Fußgängerzone durch das Vier-Sterne-Stadthotel Ars Magna Bleisure, das sogar über einen Dachpool verfügt. Für das Doppelzimmer wird man dort dieser Tage immerhin fast 200 Euro los.

Schlendert man – immer überholt von Radfahrern – durch das Viertel Bons Aires Richtung Plaza Paris, so nimmt der neue Schick der Blanquerna langsam und stetig ab. Doch bevor das passiert, durchschreitet man an der Kreuzung zur Ticia-Straße zunächst einen Bereich mit Ökofrucht- und teils regelrecht hippen Ökosupermärkten sowie dem psychodelischen Massage-Vestibül Akasha und einem veganen Eck-Restaurant mit dem sinnigen Namen „La cabra feliz” („die glückliche Ziege”). Spaziert man voran, werden die Traditionsgeschäfte zahlreicher: Der ewige Tante-Emma-Laden Sabater etwa ist unübersehbar, das 70er-jahrehafte Bettwäschegeschäft Princesita, der trutschige Oma-Kleiderladen Lady Castro und das Eisenwarengeschäft Ferreteria Blanquerna. Hinzu kommen einige eher einfache Sushi-Restaurants. Je weiter man vorankommt, desto plebejischer geht es zu, doch die angejahrten Steinbänke sind auf der gesamten Strecke die gleichen. Der Schick ist vorbei, aber nicht die Faszination. Hat man die 700 Meter hinter sich gebracht, bekommt man es an der Plaza Paris mit einer nicht mehr ganz weißen modernen Skulptur zu tun.

Die Blanquerna ist keine Wow-Meile für Flaneure, aber eine aufstrebende Straße im Umbruch, auf der man inzwischen Menschen aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten trifft. Es ist ein Ort, wo das proper-stylische und öko-orientierte Heute mit dem hausbackenen Gestern auffallender als woanders in der Stadt kollidiert – eine Art öffentliches Wohnzimmer zwischen Gediegenheit, Retro-Orten und unprätentiöser Ausgelassenheit. Von einer langsam länger werdenden Erweiterung von Palmas faszinierendem Altstadtschick kann inzwischen durchaus die Rede sein.

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