La Soledat Sur, ein Viertel im Südosten von Palma de Mallorca, ist nicht mehr nur ein unscheinbarer Teil der Stadt. In den vergangenen Monaten macht das Viertel Schlagzeilen – und diese haben nichts mehr mit seinem einst schlechten Ruf als "Problem-Barrio" zu tun. Mit der Entstehung des Art & Design District Palma beginnt dort eine neue Ära, die sowohl den künstlerischen Geist der Gegend als auch die Lebensqualität der Anwohner verändert. Die Umwandlung verfallener Werkstätten in alternative Kunstgalerien ist in vollem Gange, und es entsteht eine kreative Subkultur am Rande der Altstadt, abseits der touristisch bekannten Hotspots von Palma.
Noch vor wenigen Jahren waren viele Flächen in La Soledat Sur von Müll und Verfall geprägt. Heute sieht es anders aus: Grundstücke wurden gesäubert und in Parkplätze umgewandelt, ehemals besetzte Häuser dienen nun als Künstlerwohnungen. Ein lebendiges Nachtleben verdrängt nach und nach das Bild eines vernachlässigten Viertels.
In La Soledat Sur, nur einen Steinwurf vom aufstrebenden Wohn- und Gewerbehotspot Nou Llevant entfernt, mischen sich immer noch heruntergekommene Gebäude mit Luxuswohnanlagen. Immobilienmakler haben bereits begonnen, das Viertel als "Nou Portitxol" zu vermarkten – ein klares Zeichen, dass der Wandel nicht nur Zukunftsmusik ist.
Zwischen Optimismus und Skepsis
Die Anwohner selbst schwanken zwischen Hoffnung und Skepsis. Während viele die neuen Entwicklungen begrüßen, gibt es auch Bedenken, dass dies der Beginn eines Gentrifizierungsprozesses sein könnte. Hier, wo in den Hinterhöfen noch Hühner frei herumlaufen, bleibt die Frage offen, wie sehr das Viertel sich verändern wird. Treibende Kraft hinter dem Wandel ist der deutsche Investor und Kunstmäzen Johann Nowak, der in den Straßen Carrer Siquier, Carrer Amer und Carrer Fornaris zahlreiche Immobilien erworben hat. In diesen Räumlichkeiten entstehen Werkstätten und Galerien, aber auch Wohnungen für Künstler.
Ein Nachbar, der anonym bleiben möchte, verrät uns, dass er seine Wohnung an Nowak verkauft hat: "Wir haben bald den Termin beim Notar. Ich ziehe nach Alicante." Für ihn ist das Kapitel La Soledat Sur damit abgeschlossen.
Kunst und Kultur im Mittelpunkt
Johann Nowak spricht begeistert über das Viertel, das ihn an Orte wie Williamsburg in New York oder das Berlin der 1990er Jahre erinnert. Erst am Samstag, während der Nit del Art, fanden Ausstellungen in von ihm renovierten Garagen statt und zogen Liebhaber zeitgenössischer Kunst aus der ganzen Stadt an. „La Soledat Sud hat dieselbe Energie wie das Ostberlin nach dem Mauerfall“, sagt Nowak und fügt hinzu, dass er überrascht sei, wie schnell sich das Nachbarviertel Nou Llevant entwickelt habe.
Neben seiner Leidenschaft für Kunst engagiert sich Nowak auch für die Gemeinschaft. Er bietet Fotoworkshops für die Kinder aus dem Viertel an, und im letzten Oktober organisierte er eine große Nachbarschafts-Paella in der Carrer Siquier. „Die Anwohner kamen zusammen, wie bei den Straßenfesten der 1960er Jahre“, erinnert er sich. Auch ein Radioprojekt hat Nowak ins Leben gerufen: Das Radio La Soledat, das zusammen mit seinem Landsmann Roman Hillmann betrieben wird, soll die Stimme des Viertels werden und die neu gegründete Anwohnervereinigung La Soledat Sur unterstützen.
Ein Viertel zwischen Alt und Neu
Auch in der Geschäftswelt tut sich einiges. Diese Woche wird die traditionsreiche Bäckerei Malvina's, die nach der Pensionierung ihres Besitzers geschlossen wurde, wiedereröffnet. Eva, die hier jahrelang gearbeitet hat, übernimmt das Geschäft, unterstützt von Nowak. Die Nachbarschaft freut sich auf das altbekannte Brot – ein Stück Tradition, das inmitten des Wandels erhalten bleibt.
Nowak scheint sich in La Soledat Sur gut eingelebt zu haben. Selbst als Spanien während der Fußball-Europameisterschaft gegen Deutschland gewann, feierte er gemeinsam mit den Nachbarn. Es ist diese Mischung aus Offenheit und Engagement, die viele Anwohner positiv stimmt.
Kritische Stimmen und die Gefahr der Verdrängung
Patricia Pizà, eine langjährige Anwohnerin, sieht den Wandel als Rettung aus schwierigen Zeiten. „Wir haben viel durchgemacht. Lieber Deutsche und Schweden als das Chaos, das wir vorher hatten“, sagt sie. Jahrelang kämpfte sie mit Lärm, Drogenhandel und Müllproblemen in deinem Viertel, das teilweise von kriminellen Gitano-Clans dominiert wurde. Heute blickt sie mit Hoffnung auf die Zukunft.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Carmen Tomás, eine weitere Bewohnerin, zeigt sich besorgt über die steigenden Mieten. „Hier nebenan gibt es Wohnungen, die für 1800 Euro vermietet werden“, sagt sie. Vor allem für Mieter könnte die Zukunft unsicher sein. Die Gefahr der Verdrängung durch steigende Preise ist real, und einige Nachbarn sind bereits gezwungen, das Viertel zu verlassen. „Fast alle Häuser werden aufgekauft“, erzählt Carmen besorgt.
Ein Viertel im Aufbruch
La Soledat Sur hat sich gewandelt, doch die Zukunft bleibt ungewiss. Die Mischung aus kultureller Erneuerung, Kunst und einer aufkeimenden Gentrifizierung lässt Raum für Debatten. Die Frage bleibt: Ist dieser Wandel eine Chance für das Viertel oder eine Bedrohung für seine Identität?
In jedem Fall ist La Soledat Sur heute nicht mehr das Viertel, das es noch vor wenigen Jahren war. Künstler, Investoren und Anwohner gestalten die Zukunft dieses lange vernachlässigten Teils der Stadt – ein Viertel, das früher gemieden wurde und heute als einer der aufregendsten neuen Orte Palmas gilt.