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Tragödie auf Mallorca

Ein Jahr nach dem Einsturz des Medusa Beach Clubs auf Mallorca: Erinnerungen, Trauer – und offene Fragen

Am 23. Mai 2024 krachte die Dachterrasse des Lokals in El Arenal in sich zusammen. Vier Menschen starben, darunter zwei deutsche Touristinnen. An diesem Freitag jährt sich das Unglück erstmals

Szenen, eingefangen nach dem Einsturz des Beach Clubs auf Mallorca | Foto: Ultima Hora

| | | Palma, Mallorca |

Es ist ein Ort, der eigentlich für Sommer, Sonne und Leichtigkeit steht. Heute pulsiert das Leben wieder an der Playa de Palma, Musik liegt in der Luft, Gläser klirren, Menschen lachen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt, dass der Schein mancherorts trügt. Denn ein dunkler Schatten liegt über dem Balneario 1 – dort, wo sich am 23. Mai 2024 das Leben innerhalb weniger Sekunden grundlegend veränderte. An diesem Freitag jährt sich das Unglück zum ersten Mal.

An jenem Donnerstagabend gegen 20.20 Uhr stürzte die Dachterrasse des Medusa Beach Clubs ein – ohne Vorwarnung. Teile des Gebäudes fielen in sich zusammen, die Trümmer stürzten bis ins Erdgeschoss und den Keller, wo sich das Lokal Coco Rico befand. Die Bilanz ist erschütternd: Vier Menschen starben, darunter zwei deutsche Touristinnen. 15 weitere wurden verletzt, einige davon schwer. Augenzeugen berichteten damals von einem markerschütternden Krachen, gefolgt von Chaos und Panik.

Ein Moment, der sich eingebrannt hat

Die Bilder jener Nacht sind für viele unauslöschlich: Sirenen, Staubwolken, Schreie. Helfer, die unter Lebensgefahr Verletzte aus den Trümmern zogen. Menschen, die verzweifelt nach Angehörigen suchten. Die Rettungskräfte arbeiteten bis in die frühen Morgenstunden.

Jennifer Prata, Notfallpsychologin des balearischen Psychologenverbands COPIB, war eine der ersten Fachkräfte vor Ort. Sie betreute Überlebende und Einsatzkräfte unmittelbar nach dem Unglück. "Wenn ein Mensch ein traumatisches Erlebnis durchlebt, speichert der Körper alles – Geräusche, Gerüche, Bilder", sagt sie. "Zum Jahrestag kehrt vieles zurück. Es ist, als wäre es gestern gewesen."

Die juristische Aufarbeitung steht noch aus

Bis heute ist das Geschehen nicht juristisch aufgearbeitet. Die Ermittlungen laufen weiterhin, ein offizieller Prozessbeginn wird für Juni 2025 erwartet. Dabei werfen die bisherigen Erkenntnisse bereits schwerwiegende Fragen auf: Die eingestürzte Terrasse war laut Ermittlungen ohne Genehmigung errichtet worden und wies erhebliche bauliche Mängel auf. Auch Palmas Bürgermeister Jaime Martínez bestätigte öffentlich, dass es sich um eine illegale Konstruktion handelte.

Der österreichische Unternehmer Christian A., Eigentümer des Medusa Beach Clubs, wurde inzwischen wegen vierfacher fahrlässiger Tötung und mehrfacher Körperverletzung angeklagt. Die Familie eines der deutschen Todesopfer fordert Entschädigung: Der Vater verlangt 86.978 Euro, die drei Geschwister je 25.203 Euro. Es bleibt abzuwarten, wie das Verfahren abläuft.

Die seelischen Narben bleiben

Viele der Betroffenen vermeiden es bis heute, den Unglücksort zu betreten – manche trauen sich nicht einmal mehr, eine Terrasse zu betreten. "Das sind Schutzmechanismen", erklärt Prata. "Der Körper sagt: Dort war ich nicht sicher – ich will nicht zurück." Besonders rund um den Jahrestag verstärken sich Symptome wie Angst, Unruhe, Flashbacks oder Schlaflosigkeit.

Jennifer Prata, Notfallpsychologin, die beim Einsturz im Einsatz war, erklärt, wie sich eine Katastrophe dieser Art mit der Zeit auf die Betroffenen auswirkt.

Auch professionelle Helfer sind betroffen. Prata berichtet von einem Einsatzleiter, der während der Rettungsaktion zusammenbrach. "Selbst gut ausgebildete Kräfte sind auf solche Ereignisse nicht vorbereitet. Wir sind Menschen – keine Maschinen."

Zwischen Erinnerung und Verantwortung

In den kommenden Tagen wird das Geschehen von damals erneut präsent sein – in Gedanken, Gesprächen, Medienberichten. Für die Angehörigen der Opfer, Überlebenden und Ersthelfer ist es eine emotionale Zerreißprobe. "Was helfen kann, ist Raum für Trauer und Gespräch", sagt Prata. "Ob durch Reden, Weinen, Schreiben oder Nähe – jede Form des Ausdrucks ist legitim."

Die spanischsprachige MM-Schwesterzeitung Ultima Hora schreibt: "Die Playa de Palma lebt weiter. Doch für viele ist ein Teil von ihr zerbrochen – genau wie die Terrasse des Medusa Beach Clubs. Und solange die Verantwortung nicht eindeutig geklärt, die Trauer nicht gehört und die Lehren nicht gezogen sind, bleibt sie bestehen: diese offene Wunde an der Playa de Palma."

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