Wer glaubt, dass die Kathedrale La Seu das Wahrzeichen von Palma de Mallorca sei, hat den neuen Publikumsmagneten noch nicht gesehen: die kilometerlange Decke aus gefälschten Markenprodukten, die sich vom Plaça de la Reina bis tief in den Park de la Mar hineinzieht. Inmitten von Palmen stapeln sich Gucci-Taschen (oder war’s Gucchi?), Real-Madrid-Trikots mit schiefem Logo und Sonnenbrillen, bei denen man sicher ist: Die schützen nicht vor UV-Strahlung, sondern wohl eher vor Urteilsvermögen.
Top-Manta-Tour statt Sightseeing
Der s’Hort del Rei, eigentlich ein gepflegter Garten zwischen Königspalast und Kathedrale, ist zu einem Marktplatz ohne Marktordnung geworden. Statt Rasensprenger klimpern Armbänder, statt Vogelgezwitscher schallt „Only ten euro, my friend!“ in Dauerschleife. Wer hier noch versucht, ein Selfie ohne Auslegeware zu machen, muss sich rückwärts durchs Bild der Händler ducken – oder hoffen, dass gerade alle fluchtartig zusammenpacken, weil ein Polizeibeamter am Horizont auftaucht.
Die Szenerie gleicht dann einem Western: Verkäufer greifen im Sekundentakt ihre Decken, bündeln Handtaschen wie Fischernetze und verschwinden in Nebengassen. Sekunden später ist der Park wieder sauber – jedenfalls bis zur nächsten Touristenwelle. Besonders beliebt im Sortiment: Fußballtrikots mit Schreibfehlern, Louis-Vuitton-Imitate mit verdächtig leichtem Ledergeruch und Haarspangen, die aussehen, als wären sie aus einer Plastikverpackung für Baumarkt-Werbegeschenke gefallen.
Kaufst du, zahlst du
Doch jetzt will Palmas Stadtverwaltung durchgreifen – allerdings nicht bei den Händlern, sondern bei deren Kundschaft. Wer bei einem sogenannten „Top Manta“-Verkäufer zugreift, soll künftig mit 750 Euro Bußgeld rechnen. „Es ist verboten, im öffentlichen Raum Artikel aus nicht genehmigten Verkaufsstellen zu kaufen“, heißt es in der neuen Stadtverordnung. Im Klartext: Wer sich vom improvisierten Straßen-Basar verführen lässt, wird zur Kasse gebeten – und zwar nicht an der Decke, sondern beim Ordnungsamt.
Rechtlich ist das allerdings heikel. Juristen fragen sich, wie ein Tourist erkennen soll, ob ein Händler illegal ist – schließlich trägt niemand ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin verboten“. Und auch die Frage, ob ein Messi-Trikot für 15 Euro mit pixeligem Vereinswappen eine echte Markenfälschung ist oder einfach nur modischer Selbstmord, bleibt im Unklaren. Palma setzt auf „Sensibilisierung“, plant aber schon bald harte Strafen – ein bisschen wie beim Blitzermarathon, nur mit Handtaschen.
Razzia mit Trikotschwerpunkt
Dass die Polizei ihre Arbeit tut, beweist ein samstäglicher Großeinsatz vom 17. Mai. Gleich drei Einheiten der Stadtpolizei rückten in verschiedenen Stadtteilen gegen fliegende Händler aus – mit einer Art Modefokus: Um 19 Uhr entdeckte die Spezialeinheit USEI an der Frontlinie der Platja de Palma einen Händler, der auf der Flucht 233 mutmaßlich gefälschte Sporttrikots zurückließ.
Eine Stunde später, gegen 20.25 Uhr, stieß die Präventionseinheit GAP in der Straße Missió de San Diego auf einen 25-jährigen Senegalesen, der ebenfalls T-Shirts unters Volk bringen wollte – 217 Stück wurden konfisziert, der Mann selbst durfte weiterziehen, aber mit einem Ermittlungsverfahren wegen gewerblichen Eigentums im Gepäck. Auch hier wanderte die Beute – wie sollte es anders sein – ins Polizeipräsidium, vermutlich mit der Fußnote „zur späteren Vernichtung“.
Und weil alle guten Dinge drei sind, schlug die USEI ein weiteres Mal zu: In der Carrer de Sant Miquel, einer der belebtesten Einkaufsstraßen Palmas, beschlagnahmte sie 120 Trikots und 15 Handtaschen. Der Verkäufer? Mal wieder spurlos verschwunden. Die Ware? Ebenfalls zum Schreddern abtransportiert. Es war ein produktiver Nachmittag im Einsatzkalender von SETUR 2025, dem städtischen Aktionsplan gegen unerlaubten Straßenverkauf – eine Art Fashion-Taskforce mit Sonnenbrand.
Dabei ist das Sortiment der Straßenhändler durchaus vielseitig. Neben Taschen und Trikots werden auch bunte Sonnenhüte feilgeboten, Modeschmuck in Neonfarben – und wer will, bekommt für zehn Euro einen Zopf geflochten, der aussieht wie eine WLAN-Antenne. Während sich Behörden, Anwohner und Einzelhändler über die Situation beschweren, machen viele Urlauber, was sie immer machen: ein Foto, einen Kauf – und sich keine Gedanken über den Rest.
Palma hat ein Problem mit illegalem Straßenhandel. Statt es zu lösen, will man es nun elegant umlenken: auf die, die es nicht besser wissen können. Die Touristen sind zahlreich, leicht identifizierbar und vor allem: zahlungsfähig. Eine Win-win-Situation – für die Stadtkasse. Nur die Decken, die bleiben. Morgen vielleicht in der Carrer Sant Miquel. Oder direkt vorm Rathaus.