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Klimawandel

"Tödlich warmes Wasser": Das traurige Sterben unzähliger Krustentiere vor Mallorca

Experten untersuchten ein rätselhaftes Phänomen. Und waren wie vom Donner gerührt

Im Februar 2024 spülte das Meer in Pollença und Alcúdia Tausende toter Krebstiere (Krill) an den Strand. Und gab Wissenschaftlern ein Rätsel auf | Foto: Estrella Rodríguez

| Mallorca |

Im Februar 2024 bot sich Strandspaziergängern in den Buchten von Pollença und Alcúdia auf Mallorca ein ungewöhnlicher Anblick: Tausende winziger Krebstiere, tot angeschwemmt vom Meer. Was zunächst wie eine Folge von Krankheiten wirkte, entpuppte sich bald als rätselhaftes Naturphänomen. Ein Forscherteam um Amalia Grau vom Labor für Meeresforschung und Aquakultur suchte intensiv nach Erregern – vergeblich.

Krill, die winzigen garnelenähnlichen Krebstiere, sind ein zentraler Baustein der Ozean-Nahrungskette. Wale, Fische und andere Meeresriesen ernähren sich von ihnen. Und nicht nur das: Indem sie Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden, spielen sie eine stille, aber wichtige Rolle im Klimaschutz.

Spurensuche im Labor

Für die Experten war schnell klar: Eine Infektion steckte nicht dahinter. „Wir haben die Tiere molekularbiologisch untersucht – nichts Pathologisches“, sagt Grau. Normalerweise leben diese Krillarten in den kalten Tiefen des Atlantiks. Über die Straße von Gibraltar gelangen sie ins Mittelmeer, wo sie in großen Tiefen treiben. Doch warum starben sie diesmal massenhaft und strandeten an den Küsten der Balearen? Grau und ihr Team vermuten eine gewaltige Aufwirbelung der Wasserschichten. „Die Krebstiere wurden wahrscheinlich an die Oberfläche gedrückt. Dort trafen sie auf für sie tödlich warmes Wasser.“

Die Vermutung hat weitreichendere Hintergründe. Das Mittelmeer verändert sich. „Wir sehen schon länger, dass sich die Bewegungen der Wassermassen verschieben – ähnlich wie bei der Labradorströmung im Atlantik“, erklärt Grau. Ein Beleg: Auch Mantarochen, die sich normalerweise weit draußen im Meer aufhalten, strandeten im Sommer an den Stränden der Inseln. Die Ursache liegt in der Atlantischen Meridionalen Umwälzströmung (AMOC). Dieses riesige Strömungssystem transportiert warmes Wasser von den Tropen nach Norden und kaltes Wasser in die Tiefe. Derzeit gilt die AMOC als instabil – ein Alarmsignal für Forschende weltweit.

Zurück zum Krill: Die Aufwirbelung der Wassermassen könnte ein Zufall gewesen sein – oder ein Muster für künftige Ereignisse. „Wir haben schon einen ähnlichen Vorfall auf Ibiza dokumentiert“, berichtet Grau. „Dort blieb das Phänomen jedoch vor der Küste. Tote Tiere wurden nicht angespült.“ Besonders alarmierend: So etwas hat es laut Grau in über 30 Jahren Forschung noch nie gegeben. „Wir leben in einer Zeit, in der jeder ein Handy mit Kamera dabei hat. Wenn so etwas schon einmal passiert wäre, hätten wir Beweise gefunden.“

Was bleibt, ist Unsicherheit

Klar ist: Im Winter wiederholte sich das Phänomen nicht. Doch die Forscher bleiben wachsam. Denn was dem winzigen Krill zum Verhängnis wurde, könnte Vorbote größerer Veränderungen sein – in einem Meer, das immer wärmer wird. Für die Wissenschaft ist das Massensterben der Krustentiere ein weiterer Puzzlestein im globalen Klimabild. Es zeigt, wie sensibel selbst unsichtbare Bewohner der Tiefsee auf kleinste Veränderungen reagieren. Und wie eng alles im Meer miteinander verbunden ist – von der unscheinbaren Krill-Schwärme bis hin zu den Giganten der Ozeane.

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