113 winzige Flaggen sind auf der Mallorca-Karte eingezeichnet, 112 davon sind grün, nur eine einzige gelb. An der Platja del Oratori in Portals Nous wird an diesem Hochsommertag vom Baden abgeraten. An allen anderen Küstenabschnitten ist die Badegewässerqualität offenbar gut. Alles im grünen Bereich! Bei genauerem Hinsehen jedoch wird schnell klar, dass durchaus Zweifel an dem Kontrollsystem angebracht sind, das den Daten zugrunde liegt.
Seit Jahren überwachen Kontrolleure der Abteilung für Umweltgesundheit des balearischen Gesundheitsministeriums während der Badesaison zwischen Mai und Oktober die Qualität der Badegewässer an Mallorcas Küste. Zu diesem Zweck nehmen sie an 113 auf 87 Strände verteilten Messpunkten in 18 Küstengemeinden regelmäßig Wasserproben. Diese analysiert dann ein Labor auf Kolibakterien und Enterokokken. Sind die EU-weit gültigen Grenzwerte überschritten, folgen eine zweite Probe und im Extremfall ein Badeverbot.
Probeentnahme zum Teil mehrere Wochen alt
Beim Blick auf die Internetseite, auf der die Ergebnisse in Form von grünen, gelben und roten Flaggen dargestellt sind, fällt als erstes auf, dass die Probeentnahme, auf deren Grundlage die Einstufung der einzelnen Strände vorgenommen wird, zum Teil bereits mehrere Wochen her ist – im Fall der am weitesten von Palma entfernten Strände an der Küste von Artà im Nordosten der Insel sogar bereits einen Monat. Tatsächlich ist eine lückenlose Überwachung der Badegewässerqualität nicht vorgesehen.
Zwar entnahmen die Mitarbeiter des balearischen Gesundheitssystems im vergangenen Jahr insgesamt 1090 Proben an Mallorcas Stränden, tatsächlich aber finden an jedem Messpunkt im gesamten Zeitraum lediglich acht Kontrollen statt – im Schnitt also etwa alle drei Wochen. Auch werden bei der abschließenden Bewertung der Badestellen die Messergebnisse aus jeweils vier Jahren herangezogen. Ein komplettes Bild von der tatsächlichen Lage an Mallorcas Stränden bekommt man auf diese Weise also nicht.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass viele Gemeinden zusätzliche Wasseranalysen in Auftrag geben. Die Stadt Palma etwa entnimmt an ihren Stränden wöchentlich Proben, wie es heißt. Die aktuellsten veröffentlichten Daten aber sind auch hier schon einige Wochen alt. Die Ergebnisse sind weitgehend positiv: An 19 der 21 Messpunkte war die Badegewässerqualität "exzellent", an den übrigen das Baden zumindest uneingeschränkt erlaubt.
Besorgniserregend ist die Negativtendenz
Besorgniserregend aber ist vor allem die Negativtendenz, die die Messergebnisse des balearischen Gesundheitsministeriums seit einigen Jahren offenbaren. Der Anteil der bestbewerteten Messpunkte ist im Laufe der Jahre stetig kleiner geworden. So galten auf Mallorca im Jahr 2013 noch 94 Prozent als "exzellent". Im vergangenen Jahr waren es nur noch 70 Prozent der Messpunkte.
Als Hauptgrund gilt das unzureichende Abwasserentsorgungssystem auf der Insel. Vielerorts ist die Kanalisation marode, viele Kläranlagen sind veraltet und den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Vor allem die fehlende Trennung von Regen- und Abwasser sorgt immer wieder für Verschmutzungen, wenn nach heftigen Regenfällen das gesamte Wasser ungefiltert ins Meer fließt, weil die Kapazität der Kläranlagen nicht ausreicht.
Dazu kommt: Seit den 1980er-Jahren hat sich die Bevölkerung auf den Balearen verdoppelt (auf heute mehr als 1,2 Millionen). Die Zahl der Urlauber hat sich gar verdreifacht, auf mittlerweile fast 19 Millionen pro Jahr. Um mit diesem Wachstum fertig zu werden, hätte die Infrastruktur kontinuierlich ausgebaut werden müssen. Das ist nicht geschehen. Erst seit wenigen Jahren steuert man beispielsweise in Palma gegen und investiert Millionensummen in die Modernisierung von Kanalisation und Kläranlagen. Bis sich das auch in den Messergebnissen widerspiegelt, dürften noch einige Jahre vergehen.