Einen regelrechten Shitstorm musste eine Mallorca-Touristin kürzlich über sich ergehen lassen, weil sie ein Video veröffentlicht hatte, in dem sie sich über die Posidonia-Reste an einem Strand der Insel beschwerte. Die junge Frau wusste offenbar nicht, womit sie es zu tun hatte und klagte über die vermeintlich verschmutzte Küste und die dort liegenden "Algen".
Dabei ist die Posidonia oceanica, das Neptungras, ein fester Bestandteil des Küstenökosystems der Insel. Es handelt sich eben nicht um eine Alge, sondern um eine marine Blütenpflanze, die im Mittelmeer endemisch ist, das heißt, nur hier vorkommt. Sie wächst (sehr langsam) in bis zu 40 Metern Tiefe und erfüllt mehrere wichtige Funktionen.
Posidonia-Wiesen versorgen das Meer Mit Sauerstoff
So versorgen die Posidonia-Wiesen das Meer beispielsweise mit Sauerstoff. Fällt dessen Konzentration unter einen Mindestwert, was aufgrund der klimawandelbedingten Meereserwärmung immer häufiger vorkommt, ist die Biodiversität bedroht. Posidonia-Wiesen dienen in solchen Fällen als Zufluchtsort für zahlreiche Arten. Auch deshalb bilden die Neptungras-Vorkommen eines der vielfältigsten Ökosysteme des Mittelmeerküstengebiets. Mehr als 1500 Arten leben hier, neben verschiedenen Algenarten vor allem Weichtiere wie Schnecken, Krebstiere (Flohkrebse, Asseln und Zehnfußkrebse), Stachelhäuter (hauptsächlich Seeigel und Seegurken) und Fische (vor allem Goldstriemenbrassen und Seenadeln).
Außerdem spielen die Posidonia-Wiesen eine wichtige Rolle bei der Sandproduktion. Wer sich einmal genauer ansieht, woraus die Strände der Insel eigentlich bestehen, der wird feststellen, dass es sich mehrheitlich nicht um Gesteinssand handelt.
Viele der tierischen und pflanzlichen Organismen, die in den Seegraswiesen leben, haben ein sogenanntes „karbonatisches Skelett”, das früher oder später zerfällt und an die Küste gespült wird. Auch die Schalen von Weichtieren, Seeigeln, Kalkalgen und anderen Organismen werden auf diese Weise Teil des Sandes an den Stränden. Pro Quadratmeter Posidonia-Wiese entstehen auf diese Weise jährlich zwischen 60 und 70 Gramm Sand.
Das Laub an den Stränden ist eine natürlich Barriere
Eine weitere wichtige Funktion ist die Fähigkeit, CO2 zu speichern. Neptungras-Vorkommen sind bedeutende Kohlenstoffsenken und helfen so, die globale Erwärmung zu mildern. Auch beim Küstenschutz spielen die Posidonia-Vorkommen eine bedeutende Rolle. Das Laub, das sich im Herbst und Winter an den Stränden ansammelt, wirkt als Barriere, die die Erosion der Strände verhindert. Deshalb türmen sich vielerorts, vor allem an Naturstränden, auch im Sommer die Neptungras-Berge, die im Laufe des Jahres verwesen und dann einen durchaus etwas strengen Geruch verströmen.
Darüber hinaus dämpfen die Seegraswiesen die Kraft der Wellen, indem sie deren Höhe und Geschwindigkeit verringern. Auch dies verhindert Erosion. Neptungras fixiert das Sediment, was auch die Transparenz des Wassers fördert. Dass das Meer rund um die Balearen meist kristallklar ist, liegt also in erheblichem Maße an den Posidonia-Seegraswiesen.