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Reportage

Wohnungsmisere auf Mallorca immer schlimmer: "Wohin soll ich jetzt nur gehen?"

In Palma wurde eine alte Frau aus einer Kellerwohnung geräumt – zurück bleibt Zement, ein Hund und bittere Verzweiflung

Die alte Frau nach der Zwangsräumung mit ihren Habseligkeiten vor der zugemauerten Wohungstür | Foto: Gemma Marchena

| Mallorca |

Der qualvolle Zwangsräumungsprozess der Bewohner der Kellerunterkünfte in der Joan-Miró-Straße von Palma de Mallorca geht weiter. Am Donnerstagmittag (5.9.) setzte ein Arbeiter den letzten Betonblock vor eine Tür und versiegelte ihn mit einer guten Handvoll Zement. Dann, unter den wachsamen Blicken der Lokalpolizei, brachte ein weiterer Techniker ein Schild der Wach- und Schließgesellschaft Securitas Direct an.

Auf diese Weise stand Reina, eine über 60-jährige Frau an diesem Donnerstag buchstäblich auf der Straße. Während sie die Szene beobachtete, wurde die Mieterin, die seit Monaten die Machenschaften des Eigentümers – eines Polizisten, der zu zwei Millionen Euro Strafe verurteilt wurde – öffentlich anprangert, von Traurigkeit überwältigt: "Ich erinnere mich daran, wie sie die Grabplatte auf das Grab meiner Mutter setzten." Ebenso begraben waren nun auch Reinas Hoffnungen, weiterhin in dem Keller in der Joan-Miró-Straße wohnen zu können, wo sich rund zwanzig Unterkünfte befinden.

Ein Keller wie ein Grab

Die Zwangsräumungen folgen Schlag auf Schlag. Die Bewohner, die seit Jahrzehnten beim Polizisten zur Miete wohnten, haben seit Monaten keine Miete mehr gezahlt. Nun werden sie wegen "wilder Besetzung" oder Mietrückständen zwangsgeräumt. Keiner der Betroffenen möchte dort bleiben, viele gehen einer Arbeit nach. "Aber wir finden einfach nichts besseres", sagen sie. Es sind Lieferdienst-Boten, Bauarbeiter, Altenpflegerinnen oder Kellner in den Restaurants von Palmas Ausgehviertel Santa Catalina, wo sie wohlhabende Schweden bedienen.

An diesem Donnerstag war Reina an der Reihe. Sie hatte einen Platz in einer Notunterkunft einer Hilfsorganisation in Inca ergattern können. Doch ihre Tochter und ihr achtjähriger Enkel waren kurz zuvor aus der Wohnung geworfen worden, in der sie ein Zimmer gemietet hatten. Angesichts der Aussicht, auf der Straße zu landen, zogen sie alle in das kleine Kämmerchen, das Reina für 600 Euro mietete: kaum fünf Quadratmeter, in denen sich Küche, Kühlschrank, Bett und Fernseher drängten.

Aktivisten können nichts ausrichten

Der Donnerstag wurde schließlichein endloser Tag. Er begann um sechs Uhr morgens, als die Aktivisten von "Stop Desahucios" (Stoppt Zwangsräumungen) eintrafen, um Reina, ihre Tochter und ihren Enkel zu begleiten. "Der Pflichtverteidiger von Reina teilte ihr erst am Dienstagnachmittag mit, dass die Räumung am Donnerstag um neun Uhr stattfinden würde", kritisierte Joan Segura von Stop Desahucios. Das habe ihr keine Zeit gelassen, nach einer Alternative zu suchen.

Schon um halb sieben rückte ein großes Aufgebot der Nationalpolizei an. Von da an begannen das Kommen und Gehen der gerichtlichen Kommission, der Anwälte des Kellerbesitzers und der Nachbarn, die das Geschehen gemeinsam mit zahlreichen Medienvertretern verfolgten. Außerdem standen an jeder Ecke Männer, die jede Bewegung beobachteten. "Das sind Spitzel des Eigentümers", sagte einer der Mieter, in einem Keller, in dem es kein fließendes Wasser gibt – abgestellt vom städtischen Versorgungsunternehmen Emaya – und in dem der Strom auf ein Minimum reduziert wurde, um die Wohnungen praktisch unbewohnbar zu machen.

Die Anspannung wuchs. Eine Ambulanz musste kommen, nachdem Reinas Tochter in Ohnmacht gefallen war. Sanitäter versorgten sie, und um elf Uhr begleiteten zwei Polizisten sie ins Sozialamt der Stadt Palma, wo sie das Angebot einer Unterkunft für sich und ihren Sohn ablehnte.

In den verwinkelten, dunklen Gängen des Kellers tappte Luna umher, Reinas alte Hündin: blind, taub, mit Windel. Immer wieder wurde sie in der Dunkelheit versehentlich getreten. Zwischen den Türen hingen Wäscheständer mit feuchter Kleidung – ohne einen Hauch von Sonne, umgeben von stickiger, erdrückender Hitze, obwohl die Außentemperaturen bereits gesunken waren.

"Was soll ich jetzt tun?"

Reina starrte derweil auf die zugemauerte Tür, all ihre Habseligkeiten hatten Nachbarn in den Flur retten können. „Was soll ich jetzt tun? Wohin soll ich jetzt gehen?“, wiederholte sie immer wieder. Die gleichen Fragen, die sich auch die anderen Bewohner des Kellers stellen.

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