Im seit Monaten schwelenden Streit um die Aufnahme minderjähriger Bootsmigranten zwischen der balearischen Landesregierung und Madrid deuten alle Anzeichen auf einen Showdown vor Gericht hin. Die Regionalregierung kündigte am Dienstag an, eine Klage vor dem Berufungsgericht einzureichen. In der Sache sind bereits zwei weitere Verfahren anhängig, eine vor dem Verfassungsgericht und eine vor dem Obersten Gerichtshof.
Hintergrund des politisch aufgeladenen Konflikts ist Madrids Weigerung, eine „migratorische Notlage" auf den Balearen auszurufen. Das spanische Ministerium für Kinder und Jugendliche begründete seine Entscheidung damit, dass die derzeit 694 betreuten unbegleiteten Minderjährigen einen solchen Schritt nicht rechtfertigen. Erst bei einer dreifachen Überschreitung der normalen Kapazität – also bei 1.218 betreuten Minderjährigen – könne eine Notlage ausgerufen werden.
Die balearische Landesregierung sieht sich dennoch in einer „grenzwertigen Lage" und spricht von Aufnahmeeinrichtungen für Minderjährige, die "vor dem Kollaps" stünden. Nach dem Verteilungsschlüssel der sozialdemokratisch geführten Zentralregierung sollen die Balearen zusätzliche 406 unbegleitete Minderjährige von den Kanaren aufnehmen. Die balearische Regierungschefin Marga Prohens von der konservativen Volkspartei PP lehnt diese Quote vehement ab. Quellen der Regionalregierung bestätigten gegenüber der MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora", Prohens sei entschlossen, „alle verfügbaren Mittel einsetzen", um die Verlegung zu verhindern.
Parallel zur politischen Auseinandersetzung um Aufnahmequoten verschärft sich die migratorische Situation auf den Inseln weiter. Allein in den vergangenen Tagen erreichten 13 Boote mit 200 Migranten die balearischen Küsten. Am Dienstag retteten Guardia Civil und Seenotrettung 62 Menschen aus drei Booten südlich der Mallorca vorgelagerten Insel Cabrera. Seit Jahresbeginn kamen nach offiziellen Angaben bereits 5.166 Migranten mit 278 Booten an. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr waren es 5.882 Migranten.
Um der anhaltenden Ankunftswelle zu begegnen, plant das spanische Innenministerium, "in den kommenden Wochen" mit dem Bau von Erstaufnahmeeinrichtungen in den Häfen von Palma, Ibiza und Formentera zu beginnen. Die Module sollen auf insgesamt 1.330 Quadratmetern Raum für bis zu 140 Personen bieten und mit einem Notfallbudget von knapp sieben Millionen Euro finanziert werden. Sie sollen der "temporären Unterbringung von Migranten" dienen, die anschließend per Fähre auf das spanischen Festland weiterreisen wollen.