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Lärm und Lkw: Diese Traumcala auf Mallorca wird systematisch zugebaut

An der Bucht im Osten der Insel wird bautechnisch derzeit am großen Rad gedreht: Das bringt mit sich, dass eine gewisse Unruhe entsteht. MM hat sich in die entlegene Ecke begeben und sich umgesehen

Diese mehr als ein Jahrzehnt halbfertigen Häuser sollen 2026 zu Ende gebaut sein.Fotos: Patricia Lozano/UH

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Wenn die zahlreichen Baustellen und leerstehenden Gebäude nicht wären, könnte die Landschaft hier eine Traumgegend sein, eine Art Garten Eden, zumal die angrenzende Bucht namens Cala Romàntica mit ihrem türkisblauen Wasser wie ein Juwel unter der Sonne glänzt. Doch die auch s’Estany d’en Mas genannte und derzeit täglich mit Hunderten Badefreunden randvolle Cala südlich von Porto Cristo grenzt – wie bereits in den vergangenen Jahren – noch immer an einen seltsam zersiedelten Zustand mit wenigen Läden und ohne einen Hauch von Seele. Unromantischer geht es kaum.

Neben umzäunten Arealen mit wild wuchernden Pflanzen und leerstehenden Ferienapartments finden sich nahe der Bilderbuch-Cala zu bröckelnden Ruinen verkommene ehemalige Gastbetriebe wie das El Gran Mesón und ein verwahrloster Bereich mit dem noch im vergangenen Jahr in Betrieb befindlichen Ex-Hotel Flip Flop sowie Baustellen, wo gediegene Häuser für solvente Kunden mit voller Power aus dem Boden gestampft werden. Den Kontrast bilden die blütenweiße, über Gebühr großzügige Hotelanlage Blau-Punta-Reina-Resort, einige propere Apartment-Anlagen, ältere Gebäude, die durchaus gut in Schuss sind, und das quirlig-alkoholselige Leben am Strand im Umkreis der bekannten Coco-Beachbar.

Daran, dass die hügelige, mit Pflanzen vielerlei Art bewachsene Gegend auch in den kommenden Jahren ein unfertiges Faszinosum bleibt, wurde man erst jüngst erinnert: Nach 46 Jahren Wartezeit darf das Unternehmen Tuinar Plots & Houses SL aus Spaniens Hauptstadt Madrid auf einem unbebauten Grundstück 77 Einfamilienhäuser hochziehen – auf großzügig bemessenen Parzellen von mindestens 800 Quadratmetern je Einheit. Die für den s’Estany d’en Mas zuständige Stadt Manacor gab kürzlich grünes Licht für das Millionenprojekt, das weiteren Lärm, Staub und Lkw-Verkehr in die seit Jahrzehnten in dieser Hinsicht geschundene, entlegene Gegend bringen dürfte. Margalida Ramis von der Umweltgruppe GOB bezeichnete dieses Vorhaben gegenüber MM als „wahrhaftige Frechheit”. Das alles seien uralte Pläne, die mit heutigen Anforderungen etwa im Rahmen des Klimawandels rein gar nichts zu tun hätten.

159 Doppelhäuser werden aufgemöbelt

Ebenfalls aus Madrid stammt der Investment-Fonds Ibero Capital Management, der 70 Millionen Euro in die Hand genommen hat, um 159 Doppelhäuser, die seit weit mehr als einem Jahrzehnt samt Fenstern und Außenmauern unfertig an einem Hügel in der Landschaft herumstehen, fertig zu konstruieren. Während der vom Baubereich ausgegangenen großen Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 in Spanien ihren Anfang genommen hatte und bis in das nächste Jahrzehnt hin andauerte, war die zuständige Firma Terrapolis pleitegegangen. Zwei bis drei Jahre war ab 2005 gebaut worden, dann war auf einmal Schluss. Jetzt – zwei Jahrzehnte später – wird das ganze Projekt zeitgemäß chillig Sunrise Bay Residences genannt. „Im kommenden Jahr wollen wir alles fertig haben”, sagte eine Sprecherin gegenüber MM. „Dann kann jeder, der will, sich so eine Immobilie anschaffen.” Wobei diese Art der Wohnraumschaffung mit der Wohnungskrise auf der Insel nichts zu tun hat. Denn das, was im Osten der Insel gebaut wird, richtet sich vor allem an wohlhabende, meist ausländische Feriengäste und nicht an Menschen, die auf Mietraum angewiesen sind. Margalida Ramis vom GOB bezweifelte gegenüber MM, dass diese halbfertigen Häuser nach all den Jahren noch sicher seien. „Deswegen sind wir strikt gegen die Fertigstellung.”

Das Areal am s’Estany d’en Mas symbolisiert ungeschminkt die weiter vorherrschende Profitsucht und Gier an der Baufront. Als hätte es nie eine verheerende, weil letztendlich geplatzte Immobilienblase in Spanien gegeben, scheint es, als habe im wilden Osten Mallorcas niemand etwas – die Umwelt scheint dort ohnehin keinen hohen Stellenwert zu haben – aus der Vergangenheit gelernt.

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