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Der etwas andere Ausflug auf Mallorca: Mit dem Zug zum Wochenmarkt in Manacor

Ist es möglich, irgend wohin auf der Insel zu fahren, wo keine Touristen sind. Ja, absolut!

Die Blumen verleihen dem eher grau-braunen Wesen der Stadt eine herrlich bunte Note.Fotos: it

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Wenn Manacor ein abgekapselter Planet wäre, dann würde man überhaupt nicht auf die Idee kommen, diesen mit der inzwischen zum Glitzerparadies avancierten Insel Mallorca auch nur ansatzweise in Verbindung zu bringen. Doch die 47.000-Einwohner-Kommune, deren Charme am treffendsten als bitter-herb bis wohltuend patiniert zu beschreiben ist, ist bekanntlich die zweitgrößte des Eilands, und der immer montags von 8 bis 13.30 Uhr stattfindende Markt einer der authentischsten und weitläufigsten.

Schlendert man nach der Ankunft im blitzsauberen blauen Zug der mallorquinischen Bahngesellschaft SFM und der Durchquerung der lieblichen „Pla”-Ebene sowie von Dörfern wie Sineu oder Petra zunächst zum Sa-Bassa-Platz, ahnt man angesichts der Menschenmassen bereits, dass etwas Größeres im Gange ist. Spätestens im Schatten der auffallend hohen, ja nachgerade gewaltig wirkenden Kirche Mare del Deus dels Dolors wird einem klar, dass Markttag ist.

Nicht korrumpiertes, geerdetes Selbstverständnis

Und es ist unübersehbar, dass die seit fast ewigen Zeiten von der Möbel- und Perlenindustrie geprägte und mit einem Gericht sowie einem Finanzamt veredelte Stadt Manacor anders als die meisten weiteren Orte auf der Insel ist: Fast ostentativ unprätentiös kommt die Geburtsstadt des Tennisgottes Rafa Nadal daher, auch wenn schicke Modegeschäfte wie Calzedonia oder Springfield anzutreffen sind. Das geerdete Selbstverständnis, das von der offensichtlich unaufhaltsamen Entwicklung der Insel Richtung Monaco bislang nicht korrumpiert wurde, bemerkt der Flaneur besonders in den Straßen mit dem ungebremsten Markttreiben. Die Herzkammer des Ganzen befindet sich auf der Plaça de Constitució unter Baldachinen und schattenspendenden halbhohen Bäumen.

Ob Unterwäsche für drei bis vier Euro pro Teil, Plastik-Spielzeug für die lieben Kleinen daheim, Pflanzen und Blumen fast aller Art, lebende Miniatur-Meersäue oder Blütenhonig in handlichen Gläsern – die feilgebotenen Produkte sind ebenso vielfältig wie die Besucher. Neben geschwätzigen, in kleinen Gruppen herumstehenden spanischen Großmüttern („ Ay madre mía, hast du schon gehört, dass Pepe einige Wochen tot ist ...”) trifft man auf dem Markt auch umherwuselnde Marokkanerinnen sämtlicher Altersklassen und meist bleiche und in der Regel in kurze Hosen gehüllte mitteleuropäische Touristen.

Urlauber wie Hans-Jürgen Groth aus Hessen, der nicht immer nur am Strand liegen, sondern mal etwas richtig Uriges zu Gesicht bekommen wollte, etwas für die Erinnerung. Und der also mit seiner Frau in Manacor aufgeschlagen ist: „Wir wohnen in einem Hotel in Cala Millor und sind hier einfach mal im Mietwagen hingefahren”, sagt der Deutsche dem MM-Emissär. „Ist ja nicht weit weg.”

Mallorca hat auch unaufgemotzte Seiten

Die umtriebigen Urlauber interessieren sich nicht nur für das Treiben, sondern auch für die etwas schmucklos daherkommende, unkompliziert wirkende Bar „Es Mercat”, von der aus man den Markt bei dem, was man sich in den Rachen befördert, sitzend in Augenschein nehmen kann. „Da werden wir uns später hinbegeben.”

Eine Bahnreise zum Markt von Manacor ist ein kreatürliches Gesamterlebnis – vom Erblicken der meist einheimischen Fahrgäste bis zum multikulturellen Kuddelmuddel am Ziel. Garniert wird das Ganze von Landschaftsbetrachtungen, die ob der Sehnsucht potenzierenden Schönheit durchaus als erweckend bezeichnet werden können.

Hat man in Manacor den Markttag erlebt, kommt man nicht umhin, sich zu vergegenwärtigen, dass Mallorca auch bescheidene, unaufgemotzte, ja anregend welke Seiten hat. Die Stadt ist halt die Antithese zu aufgetunten Puppenstubenorten wie Santanyí oder Port d’Andratx. Noch immer und trotz der Massifizierung hoffentlich noch viele Jahre.

Züge nach Manacor fahren wochentags in Palma alle 40 bis 50 Minuten ab. Die landschaftlich schöne Tour dauert eine Stunde und fünf Minuten.

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