Wer sich vor oder nach der schweißtreibenden Wanderung zum Castell d'Alaró auf Mallorca mit einer Lammkeule im rustikalen Restaurant Es Verger belohnt, ahnt meist nicht, dass über dem dampfenden Teller ein echter Inselkrimi tobt. Denn die Burgruine hoch über dem Tal von Alaró steht im Mittelpunkt eines der zähesten Eigentumsstreits Mallorcas – und dieser könnte nun tatsächlich ein Ende finden.
Der Inselrat hat das Verfahren eingeleitet, das ihm die Enteignung des Grundstücks ermöglicht, auf dem sich das Castell befindet. Dank eines neuen Gesetzes über strategische urbane Entwicklungsprojekte, das im Juli verabschiedet wurde, könnte das Verfahren nun deutlich schneller ablaufen als bisher gedacht. Eine von der konservativen PP Alaró eingebrachte Änderung erklärt das gesamte Areal zum archäologischen Gebiet und Ort von öffentlichem Interesse. Der juristische Hebel: Der Inselrat darf die Burg damit selbst restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen – auch wenn Eigentümer und Zentralregierung noch zögern.
Eigentum mit Aussicht
Klingt nach einer simplen Verwaltungsmaßnahme – ist aber seit Jahrzehnten ein juristischer Hindernislauf. Die Festung thront zwar majestätisch über der Inselmitte, gehört aber gleich mehreren Parteien: Die Ruinen und Mauern sind Eigentum des spanischen Staates, das umliegende Gelände gehört der alteingesessenen Familie Ordinas, die Kapelle und die Herberge („Hostatgeria“) verwaltet die Gemeinde Alaró.
Seit Jahren versucht die Familie, ihre Besitzrechte zu verteidigen, zuletzt mit Drohungen, Zugänge zu sperren. Im Oktober 2024 warf Miquel Ángel Ordinas der Gemeinde gar vor, unbefugt auf seinem Grundstück Markierungen gesetzt zu haben – für einen geplanten Löschwassertank. Der Bürgermeister wies die Vorwürfe zurück, die Linien lägen auf Nachbargrund. Es sind die kleinen Grabenkämpfe, aus denen auf Mallorca jahrzehntelange Prozesse entstehen.
Der neue juristische Status könnte den gordischen Knoten jetzt durchschlagen. „Heute machen wir einen ersten Schritt, damit das Castell allen gehört“, sagte der balearische Raumordnungsminister Fernando Rubio vor wenigen Tagen bei einer Ortsbegehung der archäologischen Ausgbrabungsarbeiten auf dem Burgareal. Übersetzt heißt das: Schluss mit Eigentumsgemaule – die Ruine soll endlich saniert und touristisch erschlossen werden.
Ein Wahrzeichen mit Widersprüchen
Das Castell d’Alaró ist eines der ältesten Wehrbauwerke Mallorcas. Seine Ursprünge reichen in die vorislamische Zeit zurück, erwähnt wurde es erstmals 902 n. Chr., als arabische Chronisten von „Hisn Alarún“ berichteten. Nach der Rückeroberung durch König Jaume I. im Jahr 1231 diente die Festung jahrhundertelang als militärischer Posten. Später wurde sie Pilgerort – mit der kleinen Kapelle „Mare de Déu del Refugi“ von 1622, die bis heute Besucher empfängt.
Für Wanderer ist der Aufstieg Teil des GR-221-Fernwanderwegs. Der Weg windet sich steil hinauf, vorbei an Ziegen, Olivenhainen und Blicken, die selbst nüchterne Immobilienmakler sentimental machen. Oben gibt es Geschichte, unten im Es Verger – 150 Meter unterhalb der Ruine – die wohl berühmteste Lammkeule Mallorcas, aus dem Steinofen, serviert in einem Gastraum, der so rustikal ist, dass sich selbst die Fliegen wohlfühlen.
Schön, verfallen – und typisch Mallorca
Die jahrzehntelange Besitzposse um das Castell d’Alaró ist mehr als eine Fußnote der Inselbürokratie. Sie steht exemplarisch für die Frage, wem das kulturelle Erbe Mallorcas gehört – und wie man es schützt, bevor es zerfällt. Die Familie Ordinas pocht auf ihre Rechte und verlangt für das Gelände rund 2,5 Millionen Euro; der Staat bot bislang weniger als die Hälfte. Währenddessen bröckeln Mauern und Geduld. Dass nun die Enteignung greift, könnte das Burgdrama endlich beenden. Oder – wie so oft auf der Insel – nur das nächste Kapitel eines endlosen Streits eröffnen.
Bis dahin klettern weiter Wanderer, Touristen und deutsche Residenten den Berg hinauf, schwitzen, fotografieren und fragen sich oben zwischen Kapelle und Klostermauer, warum auf Mallorca selbst eine Ruine noch Eigentumsfragen klärt. Dann kehren sie hinab zu Es Verger zurück, bestellen Lamm aus dem Ofen – und denken: So schmeckt Geschichte.