Im Prozess um einen möglichen Terroranschlag von radikalisierten Islamisten auf Mallorca sind im Verlauf des Montags weitere Details an die Öffentlichkeit gedrungen. Vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid müssen sich seit Wochenbeginn ein salafistischer Prediger und fünf seiner Anhänger verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, zwischen 2014 und 2017 junge Muslime im Umfeld einer Moschee in Inca systematisch indoktriniert und für den sogenannten Islamischen Staat (IS) rekrutiert zu haben.
Nach Aussage der ermittelnden Polizeibeamten hätten die Angeklagten kurz vor ihrer Festnahme im Juni 2017 unmittelbar vor der Ausführung eines Anschlags gestanden. Die fünf auf Mallorca lebenden Gruppenmitglieder seien dabei gewesen, dem Kalifen des Islamischen Staates die Treue zu schwören und ihre Loyalität zum marokkanischen König als religiösem Oberhaupt zu widerrufen. "Der nächste Schritt wäre gewesen, eine Terroraktion durchzuführen", schlussfolgerte einer der Polizisten vor Gericht.
Die Ermittler schilderten vor Gericht, dass die Verdächtigen in abgehörten Gesprächen "konkrete Gewaltszenarien erörtert" hätten. In einer Unterhaltung sei davon die Rede gewesen, ein Fahrzeug in eine Menschenmenge zu steuern – offenbar inspiriert durch "einen Traum eines Gruppenmitglieds". In einem anderen Gespräch soll erwähnt worden sein, Passanten auf "offener Straße" niederzustechen. "Sie sprachen davon, im Juni eine Aktion zu begehen", so der zuständige Ermittler. Diese Erkenntnisse hätten die sofortige Verhaftung ausgelöst.
Im Zentrum der Anklage steht Tarik C., ein reisender salafistischer Prediger, der nach seiner Ausweisung aus Marokko mehrfach auf Mallorca weilte und dort zwischen 2014 und 2016 Propaganda für den IS betrieben haben soll. Der gebürtige Belgier hatte seine Heimat verlassen, als dort das Tragen des Ganzkörperschleiers eingeschränkt wurde, und zog mit seiner Familie zunächst nach Ägypten. Sein YouTube-Kanal hatte 2016 bereits 12.000 Abonnenten; seine mehr als 100.000 Videos wurden laut Staatsanwaltschaft etwa zehn Millionen Mal aufgerufen.
Auf die Spur der Gruppe kamen die Ermittler durch eine vierteilige Videoserie, die auf Mallorca gedreht und auf YouTube verbreitet wurde. Darin wird die Radikalisierung eines jungen Muslims geschildert, der sich dem IS anschließt und seine Familie zurücklässt. Nach Identifizierung der Beteiligten überwachten die Behörden die Verdächtigen monatelang.
Im Verlauf der Observation sollen sich die Verdächtigen zunehmend radikalisiert haben. Die Angeklagten sollen die Vorstehenden der Moschee in Inca regelmäßig als "zu gemäßigt" kritisiert, weil diese sich nicht offen für den bewaffneten Dschihad geworben hätten. Ein weiterer Angeklagter, Azzouz A., der in der Moschee arbeitete und Kindern Kampfsportarten beibrachte, soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Minderjährige rekrutiert haben. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung seien Videos gefunden worden, in denen Kinder in Kampftechniken und der Durchführung von Hinrichtungen unterwiesen wurden.
Die Verteidigung versuchte am ersten Verhandlungstag, die konkrete Rolle der einzelnen Angeklagten in Zweifel zu ziehen. Die umstrittenen Videos seien letztlich Fiktion und zeigten eine Debatte zwischen zwei jungen Männern – einer gehe nach Syrien, der andere bleibe, um sich um seinen Vater zu kümmern.
Die Staatsanwaltschaft fordert für die beiden Hauptangeklagten jeweils acht Jahre Haft, für die übrigen fünf Jahre. Der Prozess wird die gesamte Woche andauern; die Angeklagten sollen als letzte aussagen.