Ein kleines Wunderwerk auf Mallorca! Nach mehr als zehn Jahren ist die historische Weihnachtskrippe in der Kapelle La Sang in Palma wieder zu sehen. Am vergangenen 10. Dezember präsentierte der Inselrat die ersten restaurierten Figuren, der Andrang war groß: Zahlreiche Menschen kamen, um das Ensemble wiederzusehen, das zum Kulturerbe Mallorcas gehört.
"Nach über einem Jahrzehnt der Vernachlässigung wollten wir nicht, dass noch eine Weihnacht ohne die Belén de la Sang vergeht", sagte Inselratspräsident Llorenç Galmés bei der Vorstellung. Die Restaurierung der Krippe, auf Spanisch "belén", habe für seine Regierung absolute Priorität gehabt, es gehe nicht nur um ein Kunstwerk, sondern um ein kulturelles und spirituelles Symbol, das Generationen von Mallorquinern geprägt habe.
Eine barocke Höhle mit vergoldeter Decke
In einer ersten Phase wurden die wichtigsten Stücke restauriert: die barocke Höhle mit ihrer vergoldeten und bemalten Decke, das Jesuskind aus dem 19. Jahrhundert sowie fünf barocke Engel. Und, allen voran, Maria und Josef. Dank ihnen gilt die Belén de la Sang als älteste noch genutzte neapolitanische Weihnachtskrippe Europas. Beide Holzfiguren stammen aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind 1,20 und 1,40 Meter groß und wurden aus demselben Stamm geschnitzt. Bei Untersuchungen stellte sich zudem heraus, dass die Muttergottes einst in einer Öffnung im Kopf einen Karfunkel trug, einen Halbedelstein, der im Laufe der Zeit gestohlen wurde.
Legende erzählt, wie die Figuren nach Mallorca kamen
Wie diese Figuren überhaupt nach Mallorca kamen, erzählt eine Legende. Um das Jahr 1536 geriet ein von Italien kommendes Schiff vor der Bucht von Palma in einen schweren Sturm, der es an den Rand des Untergangs brachte. In seiner Verzweiflung gelobte der Kapitän Domingo Gangonne, eines der sieben kostbaren Krippenensembles, die er an Bord hatte, als Votivgabe zu verschenken, falls er und seine Mannschaft gerettet würden.
Mitten in Regen, Wind und Wellen sah er schließlich eine kleine, unbeirrbare Lichtquelle: die Lampe des Franziskanerkonvents Nuestra Señora de los Ángeles de Jesús, die Tag und Nacht brannte und ihm den Weg in den sicheren Hafen wies. Der Konvent befand sich am Camí de Jesús, wo heute das Psychiatrische Krankenhaus steht. Seine Mönche nahmen die Seeleute auf und hörten sich das Versprechen des Kapitäns an.
Um sein Gelübde zu erfüllen, bot Gangonne dem Prior an, eines der "sieben Mysterien der Gottesmutter" auszuwählen, die er transportierte. Der Prior zögerte nicht lange und entschied sich für die Darstellung der Geburt Jesu – jenes Ensemble fein geschnitzter Figuren, das sich schon damals durch besondere Qualität und Reichtum abhob.
Als der Kapitän erkannte, dass der Prior ausgerechnet die wertvollste der sieben Darstellungen von Christi Geburt gewählt hatte, bereute er seine Großzügigkeit. Er bat den Abt eindringlich, eine andere Krippe auszusuchen oder ganz auf das Geschenk zu verzichten – nur nicht diese eine, die den größten materiellen Wert besaß.
Schließlich lief das Schiff mit seiner wertvollen Fracht wieder aus. Doch kaum hatte es die Bucht verlassen, soll es wie unsichtbar festgehalten worden sein: Trotz günstigen Windes und ruhiger See kam es nicht vom Fleck, als läge ein schwerer Anker auf dem Meeresgrund, den niemand zu lichten vermochte. Der Kapitän deutete dies als unmissverständliches Zeichen des Himmels, kehrte in den Hafen zurück und übergab dem Konvent genau jene Krippe, die der Abt ursprünglich gewählt hatte.
Eines der bedeutendsten Krippen-Ensembles der Insel
Erst nachdem das Ensemble mit der Geburtsszene im Kloster Jesús verblieb, konnte Gangonne wieder auslaufen. So blieb die "Belén de Jesús" über Jahrhunderte im Franziskanerkonvent und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Krippenensembles der Insel. Im 19. Jahrhundert gelangte die Krippe im Zuge der Enteignung kirchlicher Güter vom Konvent de Jesús in die Kirche La Sang in Palma, wo ihr aufgrund ihres Formats und ihres Alters eine eigene Kapelle eingeräumt wurde.
In der Gegenwart sorgte weniger ein störrischer Kapitän als vielmehr die Politik für Schlagzeilen rund um die Krippe. 2015 hatte der damals links-regionalistisch regierte Inselrat eine umfassende Restaurierung angekündigt, doch das Projekt verzögerte sich immer wieder. 2022 schließlich übte die Opposition scharfe Kritik: Der heutige Inselratspräsident Llorenç Galmés drängte als damaliger Fraktionschef der Volkspartei auf einen baldigen Beginn der Arbeiten, seine Parteikollegin Antònia Roca warf der Linksregierung vor, über zwei Jahre hinweg Subventionen des spanischen Kulturministeriums verfallen zu lassen, weil nicht rechtzeitig mit der Restaurierung begonnen worden sei. Gleichzeitig kursierten Berichte, wonach der Inselrat 350.000 Euro aus eigenen Mitteln aufbringen müsse, um das Vorhaben zu finanzieren. Nach dem Regierungswechsel 2023 nahm die neue Regierung unter Galmés die Restaurierung schließlich in Angriff. Die Gesamtkosten werden auf rund 400.000 Euro veranschlagt.
Konservierung und Wiederherstellung der Figuren
Die Restaurierung umfasst einerseits die strukturelle Sanierung der Kapelle – etwa die Beseitigung eines Betonsockels, der die Belüftung behinderte –, andererseits die Konservierung und Wiederherstellung der polychromen und vergoldeten Figuren. Das ursprüngliche Blattgold wurde freigelegt, der Heilige Geist neu gefasst, der Glanz der vergoldeten Mäntel und die Fleischtöne der Figuren aufgefrischt, zudem wurde die Beleuchtung modernisiert.
Die Besucher können die Belén de la Sang bis Dienstag, 6. Januar, täglich besichtigen. Danach wird die Krippe wieder eingepackt, um die Restaurierung der übrigen Figuren fortzusetzen. Die Kapelle La Sang befindet sich an der Plaza del Hospital (oberhalb von Palmas Rambla).