Seit Juli 2016 ist die Finnin Anna Moilanen Ombudsfrau in der Inselhauptstadt und unterstützt Bürger kostenlos bei Konflikten mit Behörden. Rund 300 Fälle bearbeitet ihr Team jedes Jahr. In 70 Prozent gibt es ein Happy End für die Antragsteller. Mit MM sprach die Sozialpädagogin, die seit 1985 auf Mallorca lebt und vorher für das Kinderhilfswerk der Uno tätig war, über ihre Arbeit.
Mallorca Magazin: Wie kam es, dass sich in Palma ausgerechnet eine Finnin um die Rechte der Bürger kümmert?
Anna Moilanen: Der damalige Bürgermeister José Hila hat mich 2016 als Ombudsfrau vorgeschlagen, das war sehr überraschend für mich. Der Posten war nach dem Tod des ersten Ombudsmanns seit 2012 nicht mehr neu besetzt worden. Warum das so war, weiß ich nicht genau. Am Anfang war es nicht leicht, es gab Zweifel vonseiten der Linksparteien. Aber am Ende habe ich im Parlament die erforderlichen drei Fünftel der Stimmen erhalten und konnte mein Amt antreten.
MM: Was ist die Funktion einer Ombudsfrau?
Moilanen: Das Hauptanliegen der Defensoría de la Ciudadania, wie mein Amt auf Spanisch heißt, ist es, die Rechte der Bürger gegenüber der öffentlichen Verwaltung zu verteidigen. Wenn etwa Polizei oder Stadtreinigung gegen Interessen der Bürger verstoßen, können diese sich in einem ersten Schritt ans Rathaus wenden. Rund 12.000 Beschwerden gehen dort pro Jahr ein. Bleiben diese erfolglos, können die Leute in unser Büro an der Plaça de la Porta del Camp kommen. Wir bearbeiten rund 300 Fälle pro Jahr, mehr als 70 Prozent werden zugunsten der Bürger gelöst. In etwa 20 Prozent stellt sich allerdings heraus, dass sie im Unrecht sind und etwa zehn Prozent der Streitfälle enden vor Gericht.
MM: Können Sie uns einen Beispielfall schildern?
Moilanen: In El Terreno gab es eine Bar, in der große TV-Leinwände standen und Livemusik gespielt wurde, obwohl für beides keine Lizenzen vorhanden waren. Die Konzerte dauerten manchmal bis 6 Uhr morgens. Die Terrasse erstreckte sich unerlaubterweise über den öffentlichen Gehweg, aber auch über private Grundstücksflächen, das machte den Fall zusätzlich kompliziert. Die Nachbarn hatten mehrfach die Polizei gerufen, aber es änderte sich nichts. Dann kamen wir ins Spiel. Wir haben zunächst die Polizeiakten angefordert, bei der Stadt nach den vorhandenen Lizenzen gefragt und Informationen über die genehmigte Terrassenfläche eingeholt. Bei der Polizei gibt es eine Einheit, die Lärmmessungen vornimmt, die sogenannte Patrulla Verde, auch bei ihr erkundigen wir uns. Die Kneipenbetreiber erhalten in jedem Fall Gelegenheit, bestehende Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben. Und wir fragen bei den Anwohnern nach, ob dies tatsächlich geschehen ist. Falls nicht, werden Geldbußen von 3000 bis 30.000 Euro fällig. Manchmal wünsche ich mir ein härteres Durchgreifen der Behörden. Die letzte Möglichkeit ist dann die Schließung eines Lokals.
MM: Das klingt nach einem langwierigen Prozedere.
Moilanen: Ja, dieser Fall war sehr komplex und konnte tatsächlich erst nach anderthalb Jahren gelöst werden. Manche Anwohner waren in der Zwischenzeit schon weggezogen. 40 Prozent der Streitigkeiten lösen wir aber innerhalb von 30 Tagen. Um effizienter zu arbeiten, habe ich 2017 die Einrichtung eines unabhängigen Koordinierungsbüros angeregt, in dem Polizei sowie Mitarbeiter der Verwaltung und Gesundheitsbehörde zusammenarbeiten. Das ist sehr hilfreich.
MM: In welchen Bereichen gibt es besonders oft Beschwerden?
Moilanen: Lärm ist das größte Problem. Die Defensoría führt daher zurzeit eine sechsmonatige Studie in Sa Gerreria in der Altstadt durch und misst die Lärmbelastung durch Lieferwagen, Motorräder oder Müllwagen rund um die Uhr. Aber auch die Architektur fördert Lärm. Palma ist so gebaut, dass die Ausrufer früher überall gehört werden konnten. Laut WHO gelten bereits 55 Dezibel langfristig als gesundheitsschädlich. Doch die Leute ertragen viel, sie kommen erst zu uns, wenn sie buchstäblich am Ende sind. Ich bin dafür, spielerisch gegen Lärm vorzugehen. Bleibt es im Viertel leise, könnten beispielsweise Getränkepreise in den Bars zur Belohnung gesenkt werden. Aber auch die Politik ist gefragt, mit mehr verkehrsberuhigten Zonen oder Elektro-Müllwagen.
MM: Worüber beklagen sich die Bürger noch?
Moilanen: Schmutz ist ein großes Thema. Emaya hat zwar nach der Finanzkrise viel investiert, aber auch Fehler bei den Müllcontainern gemacht. Fehlender Bürgersinn kommt hinzu. Die Leute kommen sogar von außerhalb und entsorgen Möbel oder Elektrogeräte neben Abfallcontainern. Die Defensoría hat 16 vermüllte Zonen in Palma ausgemacht und die Stadt darüber informiert. Meiner Meinung nach sollten Sanktionen immer das letzte Mittel sein, wichtiger sind Aufklärung und Kontrollen. Es klingt zwar heikel, aber warum keine Überwachungskameras neben Müllcontainern aufstellen? Weitere Anliegen, um die wir uns kümmern, sind fehlende Lizenzen beispielsweise für Hotelpools, mangelhafte Abluftanlagen oder illegale Bauaktivitäten.
MM: Wer kann sich an Sie wenden?
Moilanen: Theoretisch sind wir zwar nur für Palma zuständig. Da es aber auf der Insel nur noch ein weiteren Ombudsmann in Marratxí gibt, helfen wir Anwohnern von der ganzen Insel. Auch Residenten und Touristen können zu uns kommen. Wir sprechen Englisch, Schwedisch und etwas Deutsch. Ich erinnere mich an einen Briten, der Urlaub auf Mallorca gemacht hatte und uns danach wegen fehlerhafter Strafzettel der Polizei kontaktierte. Wir haben die Angelegenheit erfolgreich per Mail erledigt.
MM: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Moilanen: Ich bin für fünf Jahre ernannt und hoffe, dass ich meine Arbeit bis zum Ende meiner Amtszeit fortführen kann, egal wie die Wahl im Mai ausgeht. Ein Problem ist allerdings, dass die landesweite Gesetzgebung anders als regionale Bestimmungen eine vierjährige Amtsdauer vorsieht. Darüber rede ich am Donnerstag mit Regierungspräsidentin Francina Armengol. Ich wünsche mir außerdem, dass sich Politiker mehr für die Bürgerwünsche interessieren, und zwar auch in Problemzonen wie Son Banya oder Son Gotleu. Palma setzt zudem sehr stark auf den Tourismus, sollte dabei aber die Interessen seiner Einwohner nicht vernachlässigen. Es gilt, Investitionen, beispielsweise in den Wohnungsbau, gerechter zu verteilen.
Die Fragen stellte Maike Schulte
(aus MM 5/2018)