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Rechtspopulisten in Spanien und Deutschland: Wie viel Vox steckt in der AfD?

Was die spanische Ultrarechte und die deutsche AfD gemeinsam haben, warum Vox. auf den Balearen in der Krise steckt – und was Deutschland im Hinblick auf die. kommenden Bundestagswahlen daraus lernen kann

VOX-Chef Santiago Abascal und die AfD-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin Alice Weidel. | Reuters/Wikimedia Commons

| Palma, Mallorca |

Noch vor zehn Jahren galten Spanien und Deutschland als Bastionen gegen rechtsextreme Strömungen. Doch mit Vox und der AfD haben sich in beiden Ländern Parteien etabliert, die auf Nationalismus, Migrationskritik und das Schüren von Ängsten setzen. Und doch: Während die AfD in Deutschland von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilt, steckt Vox als Regierungspartner auf Regional- und Lokalebene wie den Balearen in einer handfesten Krise. Was sagt das über die Zukunft der extremen Rechten aus?

„AfD und Vox weisen bei allen landesspezifisch eigenen Merkmalen große programmatische Gemeinsamkeiten auf“, sagt der deutsch-spanische Historiker Carlos Collado Seidel. „Beide stehen für einen markanten Nationalismus sowie die Ablehnung einer sich als divers verstehenden Gesellschaft.“ Seiner Meinung wenden sich beide Parteien gegen den Feminismus, verfechten traditionelle Geschlechterrollen, vertreten eine xenophobe Grundhaltung und wollen von einer Erinnerungskultur nichts wissen, bei der die mahnende Erinnerung an die in der jeweiligen diktatorischen Vergangenheit begangenen Verbrechen im Mittelpunkt steht. Nicht zuletzt ziehen sie darüber hinaus über ein als diskreditiert gebrandmarktes politisches "Establishment" her.

Doch auch wenn AfD und Vox inhaltlich viele Gemeinsamkeiten haben, gibt es markante Unterschiede. Während die AfD die Europäische Union in ihrer heutigen Form ablehnt und von einem "Deutschland zuerst" träumt, steht Vox für eine unteilbare spanische Nation. Autonome Regionen wie Katalonien oder das Baskenland sind für die Partei ein Dorn im Auge. „Die programmatischen Inhalte von PP und Vox stehen sich deutlich näher, als es bei CDU/CSU und AfD der Fall ist“, analysiert Collado Seidel.

AfD hat in Deutschland keine konservative Konkurrenz

Die AfD hingegen hat in Deutschland keine vergleichbare konservative Konkurrenz, die sich ihr programmatisch so sehr annähert. „CDU und CSU grenzen sich (noch) von der AfD ab, während in Spanien der PP lange bereit war, mit Vox zusammenzuarbeiten.” Doch während die AfD in Deutschland zunehmend als ernstzunehmender Machtfaktor betrachtet werden muss, hat sich Vox in Spanien mit seiner eigenen Strategie in die politische Isolation manövriert.

Lange sah es so aus, als könnte Vox auf den Balearen mitregieren. Doch der politische Flirt mit der konservativen Volkspartei (PP) endete unschön: Die Spannungen zwischen PP und Vox eskalierten im Dezember 2024, als es zu Meinungsverschiedenheiten über die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Migranten kam. Vox warf der PP vor, ihre Prinzipien zu verraten, indem sie einer neuen Verteilung dieser Minderjährigen zustimmte. Infolgedessen kündigte Vox alle regionalen Vereinbarungen mit der PP auf und zog sich in die Opposition zurück.

Nach dem Rückzug von Vox verfügt die PP nicht mehr über die notwendige Mehrheit im balearischen Parlament. Die Opposition, bestehend aus PSIB, MÉS per Mallorca, Més per Menorca und Unidas Podemos, forderte eine Erklärung von Ministerpräsidentin Prohens zur aktuellen Regierungssituation. Diese Forderung wurde jedoch von PP und Vox gemeinsam abgelehnt – ein bemerkenswerter Schulterschluss nach der Trennung.

Stimmung zwischen Vox und PP gilt als vergiftet

Jetzt steht Prohens immer noch mit einer Minderheitsregierung da, aber mit Vox, die dieses Modell bis dato tolerierte, in der Opposition. Das Dilemma: Ohne Vox hat die Regierung nicht genügend Stimmen, um den Haushalt zu verabschieden. Das politische Klima auf den Balearen ist entsprechend vergiftet.

Und nicht nur dort. „Die Bündnisse und Koalitionsregierungen zwischen Vox und PP auf regionaler Ebene sind vielerorts zerbrochen, und der Umgangston miteinander ist vergiftet“, so der Historiker. Doch während Vox in Spanien ins Straucheln gerät, sieht es für die AfD in Deutschland anders aus. Die Partei steht Umfragen zufolge vor einem historischen Erfolg bei den kommenden Bundestagswahlena am 23. Februar. Und anders als Vox, das Koalitionen schmiedete und daran scheiterte, bleibt die AfD in Deutschland bisher eine Protestpartei ohne direkte Regierungsbeteiligung.

Doch wie lange noch? „Die durch Friedrich Merz angeführte CDU hat vor wenigen Tagen einen Tabubruch begangen, als sie die Stimmen der AfD in Kauf nahm, um eine verschärfte Migrationspolitik gesetzlich zu verankern“, warnt Collado Seidel. Ist das der Anfang eines politischen Dammbruchs?

In Spanien zeigte sich bereits, dass eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten nicht zwingend von Dauer ist. Die PP dachte, sie könne Vox zähmen – doch am Ende war Vox der sprunghafte Partner, der sich jederzeit aus der Verantwortung stehlen konnte. Ein Lehrstück für Deutschland? „Die programmatischen Inhalte von PP und Vox stehen sich deutlich näher, als es bei CDU/CSU und AfD der Fall ist“, analysiert Collado Seidel.

Spanien ist klar in links und rechts aufgeteilt

Anders als in Deutschland bestehe in Spanien eine sich klar in Links und Rechts, in „Fortschritt“ und „Reaktion“ unterteilende politische Lagerbildung. Große Koalitionen als Ausdruck politischer Mäßigung und Kompromissbereitschaft seien unvorstellbar. Die in Deutschland bestehende Koalitionsfähigkeit über die politischen Lager hinweg und die damit als eine Alternativlosigkeit empfundene Parteienlandschaft spielt wiederum der AfD in die Hände. Hieraus und aus einer Ernüchterung über die traditionellen Parteien lässt sich maßgeblich der Zuspruch erklären, den sie genießt.

Ähnlich sieht es Pere Sales, Professor für europäische Politik an der Balearen-Uni. „Die aktuelle politische Situation in Deutschland und in Spanien ist vollkommen unterschiedlich. Das Problem der ungebremsten Immigration ist in Spanien kein Thema, das sich von rechtspopulistischen Parteien für den Stimmenfang ausschlachten lässt”, meint Sales. Die Vox-Partei kämpft zwar auch um die nationale Integrität des Landes, aber hier heißt der Feind nicht Einwanderer sondern Separatisten, allen voran die Katalanen, die seit Jahren für die Unabhängigkeit kämpfen”.

Spanien sei im Vergleich zu Deutschland noch eine junge Demokratie, der Übergang von der Franco-Diktatur verlief vollkommen unspektakulär, Politik sei für viele Spanier heute noch relativ uninteressant. Dass Vox eines Tages einen ähnlichen politischen Aufstieg hinlegen könnte wie derzeit die AfD, glaubt er nicht. „Rechtspopulisten nähren sich an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen in einem Land. In Deutschland sind viele Menschen unzufrieden, fürchten um Arbeitsplätze, um ihre Zukunft. In Spanien blickt man derzeit gelassener drein, die Wirtschaft läuft.” Und das sei kein Nährboden für rechtsextreme Polit-Parolen.

„Blickt man zu unseren europäischen Nachbarn, sei es nach Österreich, Italien, Frankreich, oder über den Atlantik hinweg, lassen sich leider nirgendwo Zeichen ausmachen, die im Sinne der sowohl in Spanien, als auch in Deutschland seit Jahrzehnten bewährten freiheitlich-demokratischen Grundordnung verheißungsvoll wären“, sagt der Historiker Seidel.

Situation auf den Balearen als Vorbote für ganz Spanien?

Die Entwicklungen auf den Balearen könnten aber als Vorbote für ganz Spanien und darüber hinaus gelten. Vox zeige, was passiert, wenn eine rechtsextreme Partei Koalitionen eingeht und dann über eigene Maximalforderungen stolpert. Deutschland könnte daraus lernen: Wer mit der AfD kooperiert, könnte am Ende selbst ins Chaos stürzen.

Und so bleibt es spannend – auf Mallorca und in Deutschland. Während sich Vox scheinbar selbst demontiert, wächst die AfD. Aber wie lange? Vielleicht lohnt sich ein Blick auf die Balearen, um die Zukunft der extremen Rechten in Europa zu erahnen. Denn eines ist sicher: Einfache Lösungen für komplexe Probleme scheitern früher oder später an der Realität.

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