Migration

Flüchtlingswelle: Mallorca fordert militärisch gestütztes Eingreifen der EU

Inselratspräsident ruft Zentralregierung in Madrid auf, Balearen-Route unter Kontrolle von Frontex zu stellen

Die Europäische Grenzschutzagentur hat Mallorca und die Nachbarinseln noch nicht als "problematisch" hinsichtlich der dort ankommenden Bootsflüchtlinge eingestuft. | Frontex

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Llorenç Galmés, der Präsident des Inselrats von Mallorca hat sich in diesen Tagen erneut an die spanische Zentralregierung gewandt – mit einer unmissverständlichen Botschaft: „Die spanische Regierung muss jetzt handeln.“ Gemeint ist die unkontrollierte Ankunft von Flüchtlingsbooten auf den Balearen. 2024 wurde der bisherige Rekord an irregulärer Migration auf die Inseln übertroffen, die Zahl unbegleiteter minderjähriger Migranten schnellte im Vergleich zu 2020 um 625 Prozent in die Höhe. Galmés verlangt nicht weniger als ein militärisch gestütztes Eingreifen der EU.

Der Adressat des Schreibens: Innenminister Fernando Grande Marlaska. Doch der eigentliche Adressat ist Europa. Frontex, die europäische Grenzschutzagentur, solle die Balearenroute endlich ernst nehmen, fordert Galmés. Schon im März hatte sich Außenminister José Manuel Albares demonstrativ desinteressiert gezeigt und die Verantwortung an Marlaskas Ressort abgeschoben. Nun greift Galmés zum rhetorischen Großkaliber – und spricht offen von der Notwendigkeit eines Strategiewechsels in der nationalen Migrationspolitik.

Verdrängte Frontlinie im Mittelmeer

Tatsächlich erlebt die Inselgruppe derzeit einen Migrationsdruck, den viele auf dem Festland kaum wahrnehmen. Die dramatisch gestiegene Zahl von Bootsanlandungen – viele davon direkt an Mallorcas Stränden – wird vor Ort nicht nur als humanitäre Herausforderung empfunden, sondern zunehmend als politisches Versagen. Galmés wirft Madrid vor, den Inselrat mit der Unterbringung der ankommenden Minderjährigen alleinzulassen. Die Aufnahmeeinrichtungen seien laut dem Consell de Mallorca um bis zu 1000 Prozent überbelegt. „Drei von vier Minderjährigen im Schutzsystem sind unbegleitete Einwanderer“, heißt es in dem Schreiben. Auf langfristige Lösungen oder finanzielle Entlastung warte man bislang vergeblich.

Der Inselpräsident fordert daher nicht nur Frontex-Flüge über den Balearen, sondern auch die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Algerien – dem Hauptabfahrtsland vieler Migranten. Es sei Zeit für eine „entschlossene Reaktion“, sagt Galmés. Doch die spanische Regierung hat bisher wenig Interesse gezeigt, die Balearen als strategisch bedeutsame Migrationsroute zu behandeln. Das Thema bleibt eine Randnotiz auf der politischen Agenda – auch, weil es bislang nicht die Dramatik anderer Mittelmeerrouten erreicht hat.

Der Ton wird schärfer

Was sich nun ändert, ist der Ton. Galmés, Vertreter der konservativen Partido Popular, nutzt die Eskalation der Flüchtlingszahlen für einen politischen Vorstoß, der Madrid sichtbar unter Druck setzt. Dass der Consell seine Forderungen nun an „alle zuständigen Behörden“ auf nationaler und europäischer Ebene herantragen will, ist eine klare Drohung – und ein diplomatischer Weckruf zugleich. Die Regierung Sánchez sieht sich damit mit einem Dilemma konfrontiert: Ein Nachgeben gegenüber der Forderung nach Frontex-Unterstützung könnte als Einknicken vor regionalem Druck gewertet werden. Ein weiteres Ignorieren der Problematik aber könnte Mallorca zur Bühne europäischer Kritik an der spanischen Migrationspolitik machen.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie schwer sich nationale Regierungen mit dezentralen Migrationsproblemen tun. Solange sich die Dramen an den Küsten vor allem in Andalusien oder auf den Kanaren abspielten, blieb Mallorca politisch meist außen vor. Das hat sich geändert – auch weil Galmés bereit ist, das Thema mit aller Deutlichkeit auf die Tagesordnung zu setzen. Die Urlauber mögen weiterhin von türkisfarbenem Meer träumen. Die Politik aber sieht derzeit vor allem rote Linien im Wasser.

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