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Gefängnishaft für Mallorca-Gaza-Aktivistinnen: Proteste gegen Krieg und Willkür

Die Festnahme dreier Mallorquinerinnen auf einer Hilfsflotte, Israels Blockadepolitik und der Besuch des US-Flugzeugträgers bringen die Insel an diesem Wochenende auf die Straßen

Von links nach rechts: Reyes Rigo, Alejandra Martínez und Lucía Muñoz, die mallorquinischen Mitglieder der Global Sumud Flotilla, die von Israel abgefangen wurden, als sie versuchten, Gaza im Rahmen einer humanitären Mission zu erreichen | Foto: Pilar Pellicer

| Mallorca |

Mallorca bereitet sich auf ein Wochenende der Wut vor. Schon am Freitagabend (3.10.) versammeln sich Hunderte auf der Plaza de Cort, am Sonntag ruft ein breites Bündnis zu einer Kundgebung auf der Plaza de las Columnas. Zwei Anlässe treiben die Menschen auf die Straße: Die Festnahme von fünf Balearen-Aktivistinnen – drei von ihnen Mallorquinerinnen – auf einer Hilfsflotte nach Gaza. Und die Ankunft der USS Gerald R. Ford, größter Flugzeugträger der Welt, der im Hafen von Palma wie ein Symbol militärischer Drohgebärden ankert.

Am vergangenen Donnerstag stoppte die israelische Marine die Flotte rund 120 Seemeilen vor der Küste – weit jenseits jedes Hoheitsrechts. Die drei Mallorquinerinnen Lucía Muñoz, Alejandra Martínez und Reyes Rigo wurden ebenso wie Dutzende weitere Aktivistinnen festgenommen, inhaftiert und sollen nun abgeschoben werden. Offiziell lautet der Vorwurf politischer Aktivismus, inoffiziell geht es darum, jede Form von Märtyrertum zu verhindern.

Völkerrecht ad absurdum – oder: Wie man 12 Seemeilen zur Fußnote degradiert

Nach internationalem Seerecht ist die Lage eigentlich klar: Hoheitsgewässer enden zwölf Seemeilen vor der Küste. Alles andere ist internationale Zone – mit freiem Durchfahrtsrecht. Nur in Ausnahmefällen – etwa auf Basis eines UN-Mandats oder klarer Verdachtsmomente – darf ein Staat weiter draußen eingreifen. Israel beruft sich auf eine seit 2007 verhängte Blockade des Gazastreifens und erklärt damit auch das Abfangen ziviler Schiffe in internationalen Gewässern für rechtmäßig. Völkerrechtler sprechen dagegen von einem eklatanten Rechtsbruch, einem Machtanspruch, der internationale Regeln zur Fußnote degradiert.

Haft als Drohung – die Abschiebungsstrategie

Die Aktivistinnen wurden unter Zwang nach Ashdod gebracht. Sie leisteten keinen Widerstand, stimmten aber ihrer Festnahme nicht zu. Im Gefängnis Ketziot laufen nun Verfahren, deren Ausgang kaum Zweifel lässt: Abschiebung, Einreiseverbot, Vorstrafen. Israel will keine "Gesichter" für die palästinensische Sache schaffen – sondern schlicht Ruhe. Die Aktivisten der Global Sumud Flotilla, die am Mittwoch und Donnerstag von israelischen Streitkräften abgefangen wurden, könnten zudem in das Gefängnis von Saharonim in der Region Ketziot in der Negev-Wüste gebracht werden – eine der größten und umstrittensten Haftanstalten Israels. Die Behörden prüfen derzeit das weitere Vorgehen mit den Festgenommenen, nachdem die Flotte beim Versuch, die Seeblockade zu durchbrechen, "abgeblockt" wurde. Der 70 Kilometer südlich von Beerscheba gelegene Komplex wurde 1988 eröffnet, um palästinensische Gefangene während der Ersten Intifada unterzubringen, und diente seither wiederholt als Massenhaftanstalt. Die Anlage besteht größtenteils aus Baracken und Gemeinschaftsunterkünften mitten in der Wüste – geografische Isolation als Teil der Strafe. Neben palästinensischen Gefangenen wurden hier auch Migranten und Asylbewerber aus Afrika interniert.

Noch bevor die israelischen Elitekräfte das Schiff enterten, warfen die Aktivisten ihre Handys ins Meer – aus Angst vor dem Mossad. Zwar, so Experten, verfüge der Geheimdienst ohnehin über Mittel, jede Kommunikation abzufangen. Doch der Reflex, Daten zu schützen, zeigt, wie sehr auch ziviler Aktivismus längst als feindliches Signal gilt. Für Israel ist selbst ein Gummiboot mit Hilfsgütern eine Bedrohung. Die Balearen-Regierung wirkte sichtlich überfordert. Vizepräsident Antoni Costa äußerte lediglich die Hoffnung, die Frauen "so schnell wie möglich" zurückzubekommen. Der Regierungssprecher forderte humanitäre Korridore und einen Waffenstillstand – Worte, die angesichts der Realität im Gazastreifen so wirkungsvoll sind wie ein Papierschiff im Sturm.

Solidarität auf der Straße

Deutlich energischer reagierten die Menschen auf Mallorca selbst. Hunderte demonstrierten schon am Donnerstag in Palma, weitere Kundgebungen folgten in Madrid, Barcelona, Rom und Brüssel. Die Lehrervereinigung der Balearen erklärte öffentlich ihre Solidarität, sprach von einem "systematischen Völkermord" und forderte ein Ende der Bombardierungen. Dass sich Berufsverbände in der Inselpolitik zu außenpolitischen Fragen äußern, ist selten – doch die Eskalation lässt offenbar niemanden kalt.

Die Festnahme einer humanitären Flottille in internationalen Gewässern stellt das internationale Recht auf den Kopf. Wenn militärische Macht zur Norm wird, verliert das Völkerrecht jede Bindungskraft. Israel entscheidet, wann ein Schiff gefährlich ist, und Europa sieht zu. Für die drei Mallorquinerinnen bedeutet das Kriminalisierung statt Schutz – und für ihre Heimatinsel die Erkenntnis, dass ein Krieg, der geografisch weit entfernt scheint, längst vor der eigenen Haustür ankert.

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