Diese Nachricht hat in der Inselpolitik für einen Paukenschlag gesorgt: Ab Freitag wird die USS Gerald R. Ford, größter und modernster Flugzeugträger der Welt, in der Bucht von Palma de Mallorca ankern. Més per Mallorca und Podemos, die beiden wichtigsten links-regionalistischen Parteien, kündigten umgehend Proteste an. Sie sehen in der Ankunft des US-Kriegsschiffs ein falsches Signal in Zeiten, in denen „Dialog und Frieden statt militärischer Machtdemonstrationen“ nötig seien.
„Mallorca darf nicht als Kulisse für die Drohgebärden der Großmächte missbraucht werden“, erklärte ein Sprecher von Més. Podemos forderte die Balearen-Regierung auf, sich klar von der Stationierung zu distanzieren. Demonstrationen am Paseo Marítimo und vor dem Hafen sind bereits angekündigt.
Routine oder Machtgeste?
Die Einschätzungen, was der Besuch bedeutet, gehen indes weit auseinander. Josep Pons Irazazábal, früherer spanischer Botschafter und Generaldirektor im Außenministerium, relativiert: „Die Besuche der Sechsten Flotte in Palma waren vor einigen Jahren völlig normal. Die Stadt ist sicher, attraktiv und ideal für Erholung.“ Für ihn ist der Anblick des amerikanischen Riesen nichts Außergewöhnliches.
Pons spricht jedoch einen zentralen Widerspruch an: „Wir wollen, dass die NATO uns verteidigt, aber wir wollen keine Flugzeugträger vor Ort.“ Dass der Besuch ausgerechnet jetzt erfolge, könne zwar auch mit Israel und der angespannten Lage im Nahen Osten zu tun haben, „doch in erster Linie ist es ein klares Signal: Die USA zeigen Präsenz – ein einfaches ‚Ich bin hier‘.“
Kritik an Washington und Sánchez
Anders bewertet es Alexandre Miquel, Soziologe und Anthropologe im Ruhestand. Er sieht in der Ankunft ein politisches Statement Washingtons – sowohl an die Adresse der spanischen Regierung als auch an die kritischen Stimmen zur Gaza-Politik Israels. „Trump platziert an einem Ort, den jeder kennt, ein Monster von großem symbolischem Wert wie die USS Gerald R. Ford, um die Unterstützung Israels und die Kontrolle der arabischen Länder zu unterstreichen“, sagt Miquel.
Dabei gehe es nicht nur um Abschreckung im Nahen Osten, sondern auch um eine Botschaft an Ministerpräsident Pedro Sánchez, der sich immer wieder kritisch zu NATO und Israel äußert. „Die USA zeigen, dass sie Spanien nicht brauchen, um das westliche Mittelmeer zu kontrollieren – sie haben Marokko als Verbündeten“, so Miquel.
Strategische Lage der Balearen
Für Joana Maria Petrus, Vizedekanin für Geographie an der Universitat de les Illes Balears, ist der Besuch Teil einer langen Linie strategischer Interessen. Schon im Zweiten Weltkrieg seien die Balearen wegen ihrer Lage im Zentrum des westlichen Mittelmeers von Achsenmächten wie Alliierten genau beobachtet worden. „Dass hier heute ein US-Flugzeugträger auftaucht, ist kein Zufall, sondern ein wiederkehrendes Muster“, sagt Petrus.
Eine lange Geschichte der Besuche
Tatsächlich ist die Ankunft der USS Gerald R. Ford kein isoliertes Ereignis, sondern der vorläufige Höhepunkt einer mehr als 70-jährigen Geschichte von Flugzeugträger-Besuchen in der Bucht von Palma. Seit den 1950er Jahren liefen regelmäßig Schiffe der US Navy die Insel an – anfangs Veteranen des Zweiten Weltkriegs, später modernisierte Kolosse der Essex- und Forrestal-Klasse. Zwischen 1952 und 2022 kamen rund 25 Flugzeugträger etwa 200 Mal nach Mallorca.
Besondere Bekanntheit erlangte die USS Intrepid, die zwischen 1956 und 1973 gleich zehn Zwischenstopps einlegte und mit ihrem schrägen Flugdeck eine technische Neuerung präsentierte, die Maßstäbe setzte. Andere Schiffe wie die USS Forrestal oder die USS Saratoga waren derart regelmäßig zu Gast, dass ihre Mannschaften in Palma fast schon zur Folklore gehörten.
In den 1960er Jahren, als der Hafen noch frei zugänglich war, waren die Zwischenstopps ein gesellschaftliches Ereignis. Tausende Mallorquiner nutzten die Gelegenheit, das Bordleben bei Führungen kennenzulernen – und standen staunend vor Jets wie der legendären F-14 Tomcat. Die Öffnung der Schiffe für Zivilisten war damals ein fester Bestandteil der Besuche.
Ein Meilenstein war die atomgetriebene USS Enterprise, die zwischen 1963 und 2011 insgesamt zehn Mal vor Mallorca erschien. Mit ihr begann auch die politische Kontroverse um die Präsenz von Nuklearantrieben im Mittelmeer. Mit dem Ende des Kalten Krieges und nach den Anschlägen vom 11. September wurden die Besuche seltener, der Zugang strenger. Zuletzt machte im Juli 2022 die USS Harry S. Truman in Palma fest.
Die aktuelle Ankunft der USS Gerald R. Ford – 100.000 Tonnen Verdrängung, erstes Schiff einer neuen Generation – knüpft also an eine jahrzehntelange Tradition an.
Ein schwimmendes Symbol der Gegenwart
Die Dimensionen sind gewaltig: 337 Meter Länge, über zwölf Meter Tiefgang, 4500 Marinesoldaten und 90 Flugzeuge, darunter F/A-18 und F-35. Die Gerald R. Ford verfügt über modernste elektromagnetische Katapulte, die mehr Starts pro Tag ermöglichen und weniger Besatzung benötigen.
Ende Juni war das Schiff vom Stützpunkt Norfolk ausgelaufen – mit der Aufgabe, den Iran von Angriffen auf Israel abzuschrecken. Am 13. August passierte es die Straße von Gibraltar, patrouillierte im Atlantik und kehrte nun ins Mittelmeer zurück. Vom 3. bis 8. Oktober wird es vor Palma liegen – eskortiert von Zerstörern und einem U-Boot.
Proteste und Alltag auf der Insel
Ob die Proteste von Més und Podemos auf breite Unterstützung stoßen, bleibt abzuwarten. Viele Einwohner reagieren eher mit Pragmatismus: Die Präsenz amerikanischer Marinesoldaten bedeutet auch Umsatz in Bars, Restaurants und Clubs. Gleichzeitig sorgt der Anblick eines Atomflugzeugträgers mitten in einer Ferienbucht für ein befremdliches Bild.
Die kommenden Tage werden also ein merkwürdiges Nebeneinander zeigen: Demonstranten mit Transparenten am Hafen, Touristen mit Eis in der Hand – und über allem die Silhouette eines Kriegsschiffs, das wie ein schwimmendes Symbol für die Spannungen unserer Zeit wirkt.