In Spanien bleiben Abspaltungsversuche – wie im Herbst 2017 in der Region Katalonien – künftig straffrei, wenn sie nicht von Gewalt begleitet werden. Das stellte das Oberste Gericht in Madrid aufgrund einer Gesetzesreform in einem am Montag veröffentlichten Urteil fest. Zugleich warnte das Tribunal Supremo in ungewöhnlich harschem Ton, die von der Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez durchgesetzte Änderung hinterlasse ein "regulatorisches Vakuum". "Die Reform lässt Sezessionsprozesse straffrei, die nicht mit Gewalt oder Einschüchterung einhergehen."
Mit der im Dezember beschlossenen Reform des Strafgesetzbuches wurde der Tatbestand des "Aufruhrs" (Sedición) abgeschafft. Darauf standen bis zu 15 Jahren Haft. Der neue Tatbestand "schwerer öffentlicher Unruhen" (Desórdenes públicos agravados) wird mit maximal fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet. Dazu müssen aber nach Einschätzung der Richter gewaltsame oder einschüchternde Handlungen vorliegen.
Die Reform hatte die Regierung beschlossen, um den Katalonien-Konflikts zu beruhigen. Zudem wurde die Strafandrohung gegen den im Ausland lebenden Separatistenführer Carles Puigdemont von maximal 15 Jahren auf höchstens vier Jahre vermindert. Das Oberste Gericht lehnte am Montag allerdings einen Antrag von Puigdemonts Ex-Vize Oriol Junqueras auf Strafmilderung ab. Wegen Ungehorsams und Veruntreuung im Zusammenhang mit dem Abspaltungsversuch 2017 darf Junqueras weiterhin bis 2031 kein öffentliches Amt bekleiden.
Nach einem illegalen Referendum hatte sich Katalonien im Herbst 2017 kurzzeitig für unabhängig erklärt. Die Region wurde daraufhin von Madrid zeitweise unter Zwangsverwaltung gestellt. Puigdemont floh nach Belgien. Junqueras und andere Separatisten wurden unter anderem wegen Aufruhrs zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt, inzwischen aber begnadigt.