"Einfach bis zum Waldparkplatz Menut II fahren. Von da an geht es dann zu Fuß weiter." Die Anweisungen im Informationszentrums des Naturinstituts der Balearen-Regierung (Ibanat) in Lluc sind knapp. Keine Sauberkeitsbelehrungen, keine Hinweise auf eine Hausordnung. Nur die Schlüsselübergabe. Wer in einem "Refugio" (Zufluchtsort) übernachten will, muss kaum Auflagen beachten. Die kleinen Hütten, die auf ganz Mallorca für Wanderer bereitstehen, sind einfach - in ihrer Handhabe, aber auch in ihrer Ausstattung.
Das geht schon aus der Internetseite des Ibanat hervor. Dort wird die Waldhütte "La Coma de Binifaldó" als ein quadratischer, zwölf Quadratmeter kleiner Raum mit einem Tisch und zwei Stühlen beschrieben. Von Betten ist nichts zu lesen und dass es keinen Strom gibt, wird extra betont.
Seicht schlängelt sich der steinige Weg zur Herberge durch den Mischwald der Tramuntana. Er ist komfortabel und leicht begehbar, auch das hatte das Internet schon verraten. Ziegen schauen hinter Sträuchern hervor, blöken leise. Hinter einer Biegung kommt, auf einer Lichtung gelegen, "Sa Coma de Binifaldó" in Sicht: ein Häuschen mit dicken Steinmauern, nur einem kleinen Fenster und einer schweren Holztür. Neben den großen Bäumen wirkt es tatsächlich wie ein Zufluchtsort. Links grenzt ein kleiner Schuppen mit Holzscheiten an, rechts eine mobile Toilettenkabine.
Die zwei großen Schlösser am Hütteneingang sind sperrig, lassen sich erst mit etwas Kraft öffnen. Die Herberge ist tatsächlich wie im Internet beschrieben: klein und spartanisch, doch der Kamin verbreitet schon jetzt gemütliches Flair, obwohl in seinem Inneren noch kein Feuer glimmt.
Draußen zwitschern die Vögel, die Picknickbänke vorm Haus laden zum Nachmittagssnack ein. Gute Vorbereitung ist wichtig, das "Refugio" bietet weder fließend Wasser noch Besteck. Doch Käse mit dem Klappmesser zu schneiden und Brot direkt vom wettergegerbten Holztisch zu essen, erzeugt eine angenehme Abenteuerstimmung.
In der Ferne bimmeln Schafsglocken, laden ein, die Umgebung zu erkunden. Ein kleiner Tümpel ist in der Nähe, auch eine alte ummauerte Wasserquelle. Wie in der Tramuntana üblich klären Infotafeln über die Hintergründe auf.
Nach etwa 15 Minuten Fußmarsch lichtet sich der Wald, am Fuße des Berges Puig Tomir kommt auf einer großen Wiese das Zentrum für Umweltbildung von Binifaldó in Sicht. Hier sind weitere Wanderherbergen untergebracht, die "Casas de Binifaldó". Betten, Küche, fließend Wasser, ja sogar Duschen, Strom und Heizung gibt es hier. Auf mehreren Zimmern können verschiedene Gruppen unterkommen. "Refugio" muss also nicht gleich Abenteuer pur bedeuten, in vielen Fällen erinnern die Unterkünfte eher an Jugendherbergen, viele sind sogar bewirtet.
Als die Sonne ihre letzten Strahlen auf die Bergkette wirft, wird es Zeit, in die Wanderhütte zurückzukehren. Schließlich warten hier zwölf Quadratmeter Gemütlichkeit - und wenig später auch rabenschwarze Nacht, die Bäume verschlingen jegliche Resthelligkeit. Wer schon einmal im Wald übernachtet hat, weiß, dass es nie ganz still ist. Von links knarzt es, von rechts knirscht es und allgemein ist ein unterschwelliges Rauschen in der Luft. Für Angsthasen ist "La Coma de Binifaldó" nachts kein guter Ort, jegliche Zivilisation ist mindestens 20 dunkle Fußminuten entfernt.
Als das Feuer im kleinen Kamin prasselt und die schwere Tür von innen verschlossen ist, legt sich die Anspannung und weicht einer ungewöhnlichen Ruhe. Es gibt kaum Handyempfang und auch andere elektronische Geräte halten hier aufgrund des Strommangels nicht lange durch. So kommt das gute alte Kartenspiel auf den kleinen Holztisch, jahrelang hat ihm keiner mehr Beachtung geschenkt, doch in der dunklen Nacht, nah am wärmenden Kamin, bekommen "Mau-Mau" und Co. plötzlich einen ganz eigenen Charme.
Schnell gerät das Zeitgefühl durcheinander, Dunkelheit bedeutet im Wald Schlafenszeit, wenn in der Stadt das Feierabendleben erst beginnt. Die zwei Holzpritschen, die an der Wand lehnen, und die beim Aufstellen fast den gesamten Raum einnehmen, bieten den mitgebrachten Isomatten zumindest einen weicheren und wärmeren Untergrund als der nackte Steinboden. Draußen rauscht der Wind, drinnen werden die Flammen im Kamin langsam kleiner.
Übernachten im "Refugio", das muss nicht Abenteuer bedeuten, kann es aber.
SO GEHT DIE RESERVIERUNG
Die Mehrzahl der „Refugios” auf Mallorca werden vom Naturinstitut der Balearen-Regierung „Ibanat” verwaltet. Auch der Inselrat und Privatpersonen bieten Unterkünfte an. Reservierungen sind online möglich (siehe die Grafik "Die Refugios auf Mallorca" in der Spalte links unter "PDF"), hier gibt es auch Informationen über die Art und Ausstattung der jeweiligen Herberge.
Spontan in der Wanderhütte zu nächtigen ist in der Regel schwierig. Gerade an den Wochenenden sind viele Hütten bereits Monate im Voraus ausgebucht, bei anderen Hütten reicht es, gut eine Woche vorher zu buchen.
Die Kosten liegen zwischen vier und zwölf Euro pro Person, oft werden jedoch nur Gruppenpreise angeboten.
DAS GILT ES ZU BEACHTEN
Unvorbereitet in die Hütten zu fahren, ist keine gute Idee, denn „Refugio” ist nicht gleich „Refugio”. Es empfiehlt sich, die Onlinebeschreibungen genau zu studieren – wenn dort nichts von Bett oder fließend Wasser steht, dann gibt es das auch nicht. Bei den bewirteten Unterkünften wiederum sind teilweise sogar die Bettlaken inklusive.
Die Schlüssel sind stets in der Umgebung abholbar, dies ist allerdings ein dehnbarer Begriff. Gerade Wanderer, die zu Fuß unterwegs sind, sollten die Schlüsselübergaben bei ihrer Routenplanung berücksichtigen.
Mit dem Auto sind „Refugios” in der Regel nicht erreichbar, manche sind gar mit einem mehrstündigen Marsch verbunden. Die Schwierigkeitsgrade variieren.
(aus MM 45/2015)